Lewis Hamilton zu Sieg: «Ich wollte keine Stallorder»
Valtteri Bottas und Lewis Hamilton
Mercedes-Teamchef Toto Wolff hatte vor dem Grossen Preis von Russland zum heiklen Thema Stallorder deponiert: «Lewis mag keine Stallorder, weil er Erfolg nicht geschenkt haben will. Valtteri mag keine Stallorder, weil er in diesem Jahr noch ohne Sieg ist. Das ist für uns eine ganz schwierige Entscheidung. Wir müssen eine Lösung finden, mit welcher alle leben können.»
Am Ende heiligte jedoch der Zweck die Mittel: Bottas wurde zurückgepfiffen, der Finne wirkte nach dem Rennen wie versteinert, die Fans quittierten die Stallorder von Mercedes mit Pfiffen, und gut ist eigentlich nur eines – dass Mercedes-Benz von WM-Vorsprung ausgebaut hat.
Der erstplatzierte Lewis Hamilton fühlte sich nicht wie ein Sieger: «Valtteri hat das ganze Wochenende über erstklassige Arbeit geleistet, er hätte diesen Sieg verdient. Das ist einer der seltsamsten Tage in meiner Formel-1-Karriere. Wir haben gewonnen, aber ich fühle keine Freude. Stolz kann ich auf einen solchen Sieg nicht sein.»
«Ich kann mich nicht daran erinnern, mich nach einem Grand Prix je so gefühlt zu haben – innerlich zerrissen. Klar strebst du danach, den Vorsprung in der WM auszubauen. Aber wer will schon auf diese Weise als Erster ins Ziel kommen?»
«Es war mir wichtig, dass Valtteri weiss: Ich habe das Team nicht um den Platzwechsel gebeten. Das habe ich ihm nach dem Rennen auch gesagt. Das Team fand, dies sei die beste Lösung. Für mich ist das eher peinlich.»
«Als mir das Team ins Auto funkte, dass Valtteri zur Seite gebeten wird, habe ich nur zur Antwort gegeben: „Sagt ihm, er soll einen Zacken zulegen, ich habe Seb im Nacken.“»
Hamilton enthüllt: «Ich dachte wirklich daran, Bottas vor der Ziellinie wieder vorbeischlüpfen zu lassen. In den letzten Runden schoss mir immer wieder durch den Kopf: „Da ist so merkwürdig, dieses Rennen anzuführen, das ist nicht richtig.“ Aber aus Team-Sicht ist die Entscheidung nachzuvollziehen: Wenn wir auf einmal Unfälle oder Defekte hätten, wenn wir am Ende die WM um zwei oder drei Punkte verlieren würden, dann würde jeder mit dem Finger auf uns zeigen und sagen – wieso habt ihr in Russland nicht als Team gearbeitet?»
«Ich würde so etwas keinem Piloten wünschen, und ich würde nie Stallorder verlangen. In unserem Meeting mit Toto und all den Jungs habe ich klargemacht: „So will ich nicht gewinnen.“ Valtteri ist ein Gentleman. Rennfahrer leben, um zu gewinnen. Wenn uns das weggenommen wird, dann ist das so, als würde man uns die Luft zum Atmen abstellen, uns den Sinn des Lebens wegnehmen. Das geht sehr tief.»