Test in Barcelona, Tag 3: Böse Gerüchte um Williams
Von Williams gab es bislang in Barcelona nur den 2018er Wagen in 2019er Farben zu sehen
Am dritten Tag erwarten wir von den WM-Favoriten das Gleiche: Ferrari wird beim zweiten Einsatz von Sebastian Vettel das beste Auto haben, Mercedes wird völlig unberührt von allen Bestzeiten am Grundsätzlichen arbeiten. Der kommende Ferrari-GP-Pilot Charles Leclerc sagt: «Es gibt nichts, worüber ich mich beklagen könnte. Obschon das Geschehen von roten Flaggen unterbrochen wurde, konnten wir das ganze Tagesprogramm durchgehen. Ich fühlte mich im neuen SF90 schnell zuhause.» Auf die Frage, ob er besondere Emotionen gespürt habe, als er in den Ferrari stieg, grinst der Monegasse: «Das passiert jedes Mal, wenn du in einen Ferrari kletterst. Bei aller Freude musst du das zur Seite schieben. Ich habe hier einen Job.»
Den hätte auch Williams, leider haben wir bislang vom neuen Wagen nichts zu sehen bekommen. Gute Kunde: Am Mittwochmorgen um vier Uhr früh ist das Auto in Spanien eingetroffen. Seither wird in der Box des englischen Traditionsrennstalls daran gearbeitet, ihn testfertig zu machen. Aber es gibt noch sehr viel Arbeit. Vor dem Nachmittag werden wir Robert Kubica mit dem neuen Auto kaum sehen. Hier wird jeweils von 13.00 bis 14.00 Uhr eine Mittagspause gemacht. Im besten Fall werden wir den FW42 also um zwei Uhr nachmittags zu Gesicht bekommen.
Klar fragen sich viele Fans: Was ist hier eigentlich passiert? Wie kann es sein, dass ein so erfahrenes Team seinen neuen Rennwagen zum Testbeginn nicht bereit hat? Teamchefin Claire Williams hatte dazu nur ausweichend Antwort gegeben: «Es sieht mehr und mehr danach aus, dass wir hier frühestens am Mittwoch fahren können. Das ist natürlich extrem enttäuschend und unglücklich.»
Besonders in der Formel 1 gilt: Wo die Information aufhört, beginnt die Spekulation. Um den dritterfolgreichsten Rennstall der GP-Historie (hinter Ferrari und McLaren) kursieren hier viele Gerüchte, einige davon vielleicht in Böswilligkeit gestreut, fast alle jedoch tief beunruhigend.
Fakt ist: Aufgrund der geänderten Aerodynamik war die Aufgabe für alle Rennställe aufwändiger. Nun gibt es zwei Design- und Entwicklungs-Philosophien, wie Mercedes-Teamchef Toto Wolff darlegt. «Man muss die Balance sorgfältig abwägen zwischen – bis zum letzten Moment entwickeln, also Teile spät ans Auto bringen, und der Erfahrung mit dem Material. Es liegt ein gewisses Risiko darin, Neuheiten erst fürs Australien-Wochenende zu fliegen und sie dann ungetestet einzusetzen. Wir suchen immer nach einem klugen Mittelweg. Neue Teile nützen dir wenig, wenn du gar keine Zeit hast, sie zur Einsatzreife zu bringen. Du musst dein Material verstehen, um damit etwas Gescheites zu machen. Daher sind unsere Autos schon beim ersten Test recht weit entwickelt.»
Auch bei Renault wurde es knapp, Teamchef Cyril Abiteboul war lange Zeit unsicher, ob die Gelben es rechtzeitig auf die Bahn schaffen würden, um ihren Filmtag zu schaffen und um beim Testbeginn bereit zu sein. Aber Renault stemmte das.
Um Williams wird kolportiert, und das Team bestätigt oder dementiert das nicht: Der Grund für die Verzögerung seien Probleme mit dem Crash-Test des Chassis gewesen. Es habe Schwierigkeiten mit Lieferanten gegeben. Der Produktionsplan sei schlampig entworfen gewesen. Es wird im Fahrerlager der katalanischen Piste auch kolportiert – die Daten aus dem Windkanal seien erschreckend. Es wird erzählt, falsch entworfene Teile hätten beim Zusammenbau nicht gepasst und mussten neu produziert werden.
Es wird Williams unterstellt, mit Rokit zwar einen Hauptsponsor zu haben, doch wird die Finanzkraft dieser Firma bezweifelt. Rokit hat es sich zum Ziel gesetzt, erschwingliche Smartphones anzubieten und Mobilfunknetze in Städten. So arbeitet Rokit derzeit daran, in den 27 grössten Städten von Indien kostenlose WiFi-Netze aufzubauen. Das soll innerhalb der nächsten drei Jahre in zehn weiteren Ländern passieren. Rokit will 3D-Technik ohne die lästigen Brillen auf den Markt bringen und dies auf einer eigenen App offerieren.
Unterstellungen wie bei Rokit hören wir auch von Haas-Hauptsponsor Rich Energy. So lange der US-amerikanische Rennstall keine Schwierigkeiten hat, müssen wir das als Hörensagen zur Seite stellen. Die Formel 1 bleibt ein Haifischbecken. Da werden schon mal Gerüchte aus den Lagern anderer Rennställe gestreut, um Gegner zu destabilisieren. Manchmal wird auch bewusst Unwahres in die Welt gesetzt, weil ein Team als Partner übergangen worden ist und ein Sponsor woanders hinzog.
Der Rückstand von Williams ist gewaltig. Die meisten Gegner sind an den ersten beiden Testtagen üppig zum Fahren gekommen:
Ferrari 326 Runden
Mercedes-Benz 313
Renault 232
McLaren 223
Red Bull Racing 220
Alfa Romeo-Sauber 215
Toro Rosso 2019
Haas 137
Racing Point 109
Williams 0
Die Schwierigkeiten bei Williams stellen die Position von Technikchef Paddy Lowe in Frage. Ex-GP-Pilot Marc Surer meint: «2018 hatten sie den schlechtesten Wagen im Feld, jetzt sind sie nicht mal fertig. Der Druck auf Technikchef Paddy Lowe nimmt zu. Was mir auch Sorgen macht: Den neuen Wagen haben die gleichen Leute gemacht wie den alten. Also wieso sollte der besser sein als der alte?»
«Was mir an der ganzen Frage seltsam vorkommt: Ich glaube nach wie vor, dass Paddy Lowe ein Spitzenmann ist. Der hat so viele Weltmeisterautos betraut, da kann es doch fast nicht möglich sein, dass er dazu nicht mehr fähig ist. Was ich mir eher vorstellen kann: Dass Lowe zuvor bei McLaren und Mercedes auf viel mehr und bessere Fachkräfte bauen konnte. Die hat er jetzt nicht mehr.»
«Es gibt hier aber auch ein Gegen-Argument: Mercedes kämpfte zu Beginn des neuen Formel-1-Programms immer mit überhitzenden Hinterreifen. Nachdem Lowe zum Team kam, verschwand das in kurzer Zeit, und die Autos fingen an, Rennen zu gewinnen. Ich sehe da schon einen positiven Einfluss. Es gab auch McLaren, die waren zu Beginn der Saison problematisch, was Abstimmung und Handling angeht, mit der Zeit jedoch brachte Lowe diesen Fahrzeugen Manieren bei. Offensichtlich machte er doch etwas richtig. Aber wenn der Williams 2019 wieder schlecht wird, dann weiss ich ehrlich gesagt nicht, was aus Lowe werden wird. Das ist seine letzte Chance.»
Wer jedoch in die Welt setzt, Lowe stehe kurz davor, gefeuert zu werden, der vergisst: Der in Nairobi geborene Engländer ist auch Teilhaber des Rennstalls.
Auf die Frage, ob der Stuhl von Paddy Lowe bei Williams wackle, heisst es bei Williams: «Kein Kommentar.»
Ein Nein ist das nicht.
Heute kommen in Spanien zum Einsatz:
Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo-Sauber C38-Ferrari
Sebastian Vettel (D), Ferrari SF90
Pietro Fittipaldi (BR), Haas VF-19-Ferrari
Romain Grosjean (F), Haas VF-19-Ferrari
Carlos Sainz (E), McLaren MCL34-Renault
Valtteri Bottas (FIN), Mercedes-Benz W10 EQ Power+
Lewis Hamilton (GB), Mercedes-Benz W10 EQ Power+
Sergio Pérez (MEX), Racing Point RP19-Mercedes
Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB15-Honda
Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.19
Daniel Ricciardo (AUS), Renault R.S.19
Daniil Kvyat (RU), Toro Rosso STR14-Honda
Robert Pubica (PL), Williams FW42-Mercedes
Barcelona-Test, 2. Tag (19. Februar)
1. Charles Leclerc (MC), Ferrari SF90, 1:18,247 min (157 Runden)
2. Lando Norris (GB), McLaren MCL34-Renault, 1:18,553 (104)
3. Kevin Magnussen (DK), Haas VF-19-Ferrari, 1:19,206 (59)
4. Alex Albon (GB), Toro Rosso STR14-Honda, 1:19,301 (132)
5. Antonio Giovinazzi (I), Alfa Romeo-Sauber C38-Ferrari, 1:19,312 (101)
6. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes-Benz W10 EQ Power+, 1:19,535 (89)
7. Pierre Gasly (F), Red Bull Racing RB15-Honda, 1:19,814 (92)
8. Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.19, 1:19,837 (95)
9. Daniel Ricciardo (AUS), Renault R.S.19, 1:19,886 (28)
10. Lewis Hamilton (GB), Mercedes-Benz W10 EQ Power+, 1:19,928 (74)
11. Lance Stroll (CDN), Racing Point RP19-Mercedes, 1:20,433 (79)
12. Pietro Fittipaldi (BR), Haas VF-19-Ferrari, 1:21,849 (13)
Barcelona-Test, 1. Tag (18. Februar)
1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF90, 1:18,161 min (169 Runden)
2. Carlos Sainz (E), McLaren MCL34-Renault, 1:18,558 (119)
3. Romain Grosjean (F), Haas VF-19-Ferrari, 1:19,159 (62)
4. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB15-Honda, 1:19,426 (126)
5. Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo-Sauber C38-Ferrari, 1:19.462 (112)
6. Daniil Kvyat (RU), Toro Rosso STR14-Honda, 1:19,464 (74)
7. Sergio Pérez (MEX), Racing Point RP19-Mercedes, 1:19,944 (30)
8. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes-Benz W10 EQ Power+, 1:20,127 (69)
9. Lewis Hamilton (GB), Mercedes-Benz W10 EQ Power+, 1:20,135 (79)
10. Nico Hülkenberg (D), Renault R.S.19, 1:20,980 (65)
11. Daniel Ricciardo (AUS), Renault R.S.19, 1:20,983 (44)