Toto Wolff: «Charlie Whiting ersetzen kann keiner»
Es war ein seltsames Gefühl für die 20 Formel-1-Piloten: Eine Fahrerbesprechung am Freitagabend vor dem Australien-GP ohne den langjährigen Rennleiter Charlie Whiting. Keiner der Piloten hatte das je erlebt. Rennchef Charlie Whiting tot, diese Nachricht hatte alle in Fahrerlager betäubt. Der 66jährige Engländer verstarb in der Nacht auf den 14. März in seinem Hotelzimmer in Melbourne an einer Lungen-Embolie.
FIA-Chef Jean Todt trat höchstpersönlich auf, um Whitings Nachfolger Michael Masi zu präsentieren. Der 39jährige Australier hatte dann am Samstag und Sonntag wenig zu tun, Qualifying und Rennen verliefen so gut wie reibungslos. Masi war selbst für langjährige Formel-1-Fans ein unbeschriebenes Blatt. Der Australier arbeitete zunächst als Stellvertreter von Supercar-Rennchef Tim Schenken, dem früheren GP-Piloten. 2018 nahm der Autoverband FIA Masi in ein Ausbildungsprogramm für Rennkommissare auf. Masi arbeitete 2018 beispielsweise beim Formel-1-WM-Lauf von China, eine Woche vor dem WM-Beginn in Melbourne 2019 war er leitender Rennkommissar beim Formel-E-Rennen von Hong Kong. Masi gehörte zu jenen Kandidaten, die in Ruhe als Nachfolger von Charlie Whiting aufgebaut werden sollten. Er nahm an Fahrerbesprechungen teil, an Pisten-Inspektionen, an der Arbeit in der Rennleitung. Er sollte 2019 bei ungefähr einem Drittel der F1-WM-Läufe als stellvertretender Rennchef auftreten und dazu an allen Läufen zur Formel 2 und Formel 3. Der Verlust von Charlie Whiting hat das alles beschleunigt.
Die FIA will nun prüfen, ob Masi der richtige Mann ist, um die Rolle von Whiting permanent zu übernehmen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist nicht der Einzige im Fahrerlager, der findet – ein Mann alleine kann die Arbeit von Charlie gar nicht tragen.
Der Wiener sagte in seiner Medienrunde: «Das sind Fussstapfen, die keiner ausfüllen kann. Ich sprach vor dem Grand Prix kurz mit F1-Sportchef Ross Brawn, und er meinte, es sei im Laufe des Wochenendes klargeworden, wie viel Whiting jeweils getan habe. Ich halte es für unmöglich, dass ein Fachmann alleine diese Aufgaben übernehmen kann. Er ist als Einzelperson unersetzlich.»
FIA-Chef Jean Todt hat in Australien erklärt, man mache sich derzeit Gedanken, wie es ohne Whiting weitergehen werde. Es gilt als so gut wie sicher, dass die Arbeitslast des Engländers auf verschiedene Fachkräfte geteilt wird.
Ab 1996 wurde Whiting permanenter Starter, dann Renndirektor und Sicherheits-Delegierter, schliesslich Verantwortlicher für die Rennstrecken. Alles Jobs, die er bis zum 14. März 2019 ausführte. Seine Rolle wurde immer umfangreicher. Er begann, das sportliche und technische Reglement zu schreiben, er arbeitete mit Professor Sid Watkins an ständigen Verbesserungen der Sicherheit für die Piloten.
Mein Kollege Adam Cooper fragte ihn einmal, wie lange er sich dieses Mammutprogramm noch antun wolle. «Ich fühle mich wie vor zwanzig Jahren. Ein wenig beunruhigend, nicht? Ich mache so lange weiter, bis man mir sagt, ich soll gehen. Die Fahrer sind so jung heute. Vielleicht sehen sie mich an und denken: “Was will der alte Zausel von mir? Der hat doch keine Ahnung mehr!” Aber es gibt 75-Jährige, die leitende Positionen innehaben, auch wenn ich ab und an denke, dass sie ein wenig über ihr Verfallsdatum hinaus sind. Ich möchte nicht, dass die Menschen das eines Tages von mir denken.»