Mercedes-Benz: Geniestreich gegen Max Verstappen
Das war die strategische Meisterleistung der bisherigen Formel-1-Saison: Weil sich Lewis Hamilton in Ungarn an Max Verstappen die Zähne ausbiss, holten die Mercedes-Strategen rund um James Vowles den Weltmeister an die Box, gaben ihm neue Reifen auf den Weg, und der Engländer schaffte das scheinbar Unmögliche – er holte den führenden Niederländer nicht nur ein, er fuhr auch an ihm vorbei, zum sensationellen Sieg im Grossen Preis von Ungarn.
Alle Rennställe monierten am Hungaroring die beschränkte Trainingszeit vom Freitag, aber James Vowles erzählt in seiner GP-Analyse: «Es stimmt, dass wir wegen der nassen Piste vom Freitag weniger Daten zur Verfügung hatten als üblich. Keiner hatte einen Dauerlauf auf harten Reifen gemacht, schon gar nicht mit viel Sprit am Bord, um den Verschleiss zu testen. Wir gingen also mit vielen Fragezeichen ins Rennen. Unser Plan vor dem Grand Prix sah eine Einstoppstrategie vor.»
«Wir glaubten vor dem Rennen, dass es kaum eine Chance zum Unterschneiden des Gegners geben würde, also früher hereinkommen als der Gegner, dann mit frischem Gummi möglichst schnell zu fahren, in der Hoffnung, dass dies reicht, um die Führung zu übernehmen. Da wird nicht an diesen Plan glaubten, zogen wir in Erwägung, mit der Reifenwahl etwas Anderes zu machen als Verstappen.»
«Als sich Verstappen und Hamilton vom Feld lösten, wurde klar, dass es durchaus eine Alternative namens Zweistopper gibt. Wir haben dann jene Häppchen Erfahrung, die wir am Freitag gewinnen konnten, zu einer Strategie zusammengesetzt, wie sich die Reifen am Wagen von Max und an unserem Auto bewähren würden. Wie sich zeigte, war dieses Modell äusserst genau.»
«Das Modell besagte, dass Hamilton nicht nur wieder zu Verstappen aufrücken würde, sondern dass er aufgrund der frischeren Reifen auch eine gute Chance erhalten sollte, den Niederländer zu attackieren. Das Modell sagte auch voraus – wenn wir den Führenden stark genug unter Druck setzen, werden das seine Reifen nicht mitmachen.»
«Wir hatten rund 20 Sekunden aufzuholen. Und Lewis musste Max überholen. Klar hatte Hamilton zunächst bedenken, ob das nicht ein wenig viel verlangt sei. Aber er hat dann Runde für Runde exakt jene Zeit gefahren, die wir benötigten, um die Strategie zum Erfolg zu bringen.»
«Hamilton kam immer näher, Verstappen musste Tempo aufnehmen, um die Hoffnung zu nähren, den Vorsprung über die Runden zu bringen. Dann passierte, was wir angenommen hatten – seine Reifen machten das nicht mit. Mit zerschlissenen Walzen hatte er Lewis nichts mehr entgegenzusetzen.»
Für die tolle Strategie durfte Vowles als Vertreter des siegreichen Rennstalls aufs Podest. «Dort habe ich mich prompt ein wenig zum Affen gemacht», zieht sich James selber durch den Kakao. «Wenn du dort oben stehst, dann wird schnell klar, dass Lewis erheblich mehr Routine hat. Mir nichts, dir nichts, hat er mich von oben bis unten mit Champagner vollgesaut, ich erhielt auch eine tüchtige Ladung in die Augen. Du siehst dann überhaupt nichts mehr. Ich tappte ein wenig hilflos auf dem Podest herum und habe prompt eine Champagnerflasche umgeworfen. Das war alles ein wenig peinlich, aber ich bin dennoch dankbar für die paar Gelegenheiten, als ich mein Team dort oben vertreten durfte.»