Robert Kubica: Aus bei Williams, F1-Karriere zu Ende
Robert Kubica geht
Ein Formel-1-Märchen geht zu Ende: Robert Kubica bestätigt am Marina Bay Circuit von Singapur, dass er 2020 nicht in einem Williams-Rennwagen sitzen wird. Damit zeichnet sich ab – die GP-Karriere des Krakauers wird in Abu Dhabi zu Ende gehen.
«Ich suche nach neuen Gelegenheiten 2020», sagt der WM-Vierte von 2008. «Um die in aller Gründlichkeit ausloten zu können, verkünde ich heute – ich habe die Entscheidung getroffen, über diese Saison hinaus mit Williams nicht weitermachen. Ich habe sehr viel Energie darin investiert, in die Formel 1 zurück zu kommen. Klar würde ich gerne bleiben. Aber nicht um jeden Preis. Ich will auch wieder Freude am Rennsport haben. Diese Saison war sehr schwierig.»
Kubica tut sich die ganze Saison über schon schwer bei Williams, die es geschafft haben, das zweite Jahr in Folge das schlechteste Auto zu bauen. Meist hatte Kubica gegen seinen jungen Stallgefährten George Russell das Nachsehen. Robert konnte nur im Chaos-GP von Hockenheim punkten, als Zehnter. Nur durch den kuriosen Rennverlauf liegt er in der WM vor Russell, auf dem zweitletzten Platz.
Kubica ist klar, dass der Kanadier Nicholas Latifi für 2020 mit üppig Sponsorgeld vor der Williams-Tür steht. Daher schaut sich Kubica schon länger einer Alternative um, die könnte DTM heissen. Audi-Sportchef Dieter Gass hat bestätigt, dass es Kontakte gibt. Robert Kubica ist zuversichtlich: «Ich wäre sehr überrascht, wenn ich im nächsten Jahr keine Rennen fahre.» Damit ist klar: An einer Rolle des Reservisten und Simulator-Fahrers in der Königsklasse ist Kubica nur zweitrangig interessiert.
Medien in Polen behaupten: Mit dem Abschied von Robert Kubica werde auch PKN Orlen das Team verlassen. Aber Orlen-CEO Daniel Obajtek dementiert: «Wir wollen in der Formel 1 bleiben. Und Robert wird auch ohne Formel-1-Engagement Teil des Orlen-Teams bleiben.»
Möglich wurde die Rückkehr von Kubica durch eine Mitgift in Höhe von angeblich 10 Millionen Euro der 1999 gegründeten Firma PKN Orlen, einem börsennotierten, polnischen Mineralölveredler und Tankstellenbetreiber mit Sitz in Plock, der unter anderem Tankstellenketten in Polen, Deutschland, Tschechien und Litauen betreibt, mit insgesamt fast 3000 Stationen. PKN (Polski Koncern Naftowy, also polnischer Mineralölkonzern) Orlen beschäftigt rund 20.000 Menschen und setzt im Jahr rund 20 Milliarden Euro um.
Ein grosser Kämpfer
«They never come back», sie kommen nie zurück, so lautete einst ein geflügeltes Wort im Boxsport. Wer einmal im Ring geschlagen wurde, der bleibt draussen. Aber grosse Comebacks gehören nicht nur zum Boxen, sondern auch zum Motorsport. Für Robert Kubica ging am 17. März 2019 eine scheinbar endlose Wartezeit zu Ende: Seinen davor letzten Formel-1-WM-Lauf bestritt der Pole am 14. November 2010 in Abu Dhabi, damals als Renault-Werksfahrer (er wurde Fünfter). Einschliesslich des 17. März 2019 musste der WM-Vierte von 2008 damit unfassbare 3046 Tage oder 8 Jahre, 4 Monate und 3 Tage auf seine Rückkehr warten!
Kubica, der sich im Februar 2011 bei einem Rallye-Unfall schwerste Armverletzungen zugezogen hatte, absolvierte 2017 für Renault drei Tests, sowohl in einem älteren Formel-1-Renner, dann im aktuellen Auto. Renault entschied sich in der Folge aber gegen Kubica und für Carlos Sainz. Später testete Kubica für Williams, aber die Rubel von Sergey Sirotkin entschieden, dass Robert 2018 nur ein Platz als Reservist bleibt.
Die Tatsache, dass der Kanada-GP-Sieger 2008 überhaupt wieder am Lenkrad eines modernen Formel-1-Renners sitzen kann, «ist die Verwirklichung eines fast unmöglichen Traums», wie es Robert einmal bezeichnet hat.
Der 6. Februar 2011 veränderte alles. Robert Kubica erlitt bei der «Ronde di Andora Rallye» in Ligurien lebensbedrohliche Verletzungen. Es dauerte eine Stunde, um ihn aus dem Wagen zu holen. Die erste von insgesamt 18 Operationen dauerte sieben Stunden. «Die Leute reden immer von meinem Arm, weil er mein grösstes Handicap ist. Fakt ist: Ich musste um mein Leben kämpfen», sagt Kubica. «Ich hatte Knochenbrüche auf der ganzen rechten Seite, vom Fuss bis hoch zur Schulter. Die vielen Brüche waren der Grund, wieso ich so lange brauchte, um mich zu erholen. Obschon der Arm am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogen wurde.»
«Die ersten beiden Monate waren wirklich schwierig. Ich kann von Glück reden, dass ich Formel-1-Fahrer und damit Athlet bin. Das ist vielleicht der Grund, warum wir den Arm überhaupt retten konnten.»
Eineinhalb Jahre nach dem Unfall sass Kubica wieder in einem Rallye-Auto. «Ich wollte zuerst am Morgen glücklich aufwachen, bevor ich wieder ein Rennfahrer sein wollte. Ich brauchte zwei Jahre, um auf ein halbwegs normales Niveau zu gelangen. Ein Jahr lang hatte ich nur Schmerzen. Meine Leidenschaft für den Sport ging nie verloren, mein Leben hat sich einfach komplett umgekrempelt.»
Im Jahr 2013 sah sich Kubica so weit erholt, dass er im Rennsimulator von Mercedes arbeitete. Damals konnte er aber das rechte Handgelenk nicht genug drehen, die Bewegung kam vielmehr aus dem Ellbogen heraus. Das ging im Rallye-Auto, nicht aber im engen Formel-1-Cockpit. Weitere Operationen folgten.
Ende 2015 begann Kubica, sein Training zu intensivieren. «Damals wog ich zehn oder fünfzehn Kilo mehr als heute.» Kubica probierte systematisch verschiedene Rennfahrzeug aus – Einsitzer, Tourenwagen, Sportwagen. Bei einem Besuch in der Dallara-Fabrik kristallisierte sich heraus, dass Robert genügend Bewegungsfähigkeit zurückerlangt hatte, um wieder an die Formel 1 zu denken.
Der Kontakt zwischen Robert Kubica und einer Kerngruppe von Fachleuten in Enstone (Renault, zwischendurch Lotus) war nie abgerissen. Sie waren es, die einen Test im 2012er Lotus E20-Renault vorschlugen. Kubica bedankte sich in Valencia mit einer Zeit, die schneller war als jene von Renault-Reservist Sergey Sirotkin. Der nächste Schritt: Ein zweiter Test mit Renault, dieses Mal in Le Castellet. Mit Haarnadeln, die Kubica problemlos fuhr. So problemlos, wie er sich auch innerhalb von der vorgeschriebenen Zeit aus dem F1-Renner zu fädeln.
Robert Kubica gibt zu, dass er nicht wie jeder andere Fahrer ist: «Natürlich arbeitet mein Arm nicht normal. Das grösste Problem ist nicht die Kraft im rechten Arm, es ist die Bewegungsfähigkeit. Ich kann mit dem rechten Unterarm nicht die gleiche Auswärtsbewegung machen wie mit links. Ich kann Vorderarm und Handgelenk nicht verdrehen.»
Robert Kubica sagt: «Mein grösster Sieg ist, dass ich es wieder in die Formel 1 zurückgeschafft habe. Das kann mir keiner nehmen.»