Ralf Schumacher zu Renault: Das wäre eindeutig Betrug
Ralf Schumacher (links) bei der Arbeit für die deutsche Sky
Ist Renault beim Grossen Preis von Japan, eventuell auch davor, mit einer automatisierten Bremskraftverteilung gefahren? Mit einem System, welches die Verteilung selber einstellt, indem GPS-Daten gemessen werden, um den Zeitpunkt der Einstellung zu definieren und die Bremse selbstständig nachzuregeln? Mit dieser Frage müssen sich die Regelhüter des Autoverbands FIA derzeit befassen, nach einem Protest von Racing Point am GP-Wochenende in Suzuka.
Der 180fache GP-Teilnehmer Ralf Schumacher arbeitet heute für die deutsche Sky. Der WM-Vierte von 2001 und 2002 ist davon überzeugt, dass ein solches System einen extremen Vorteil bieten würde: «Der Fahrer ist normalerweise dafür verantwortlich, die Bremsbalance manuell zu verstellen. Wenn das automatisch passiert, hat man eine bessere Verzögerung in die Kurven hinein. Das bedeutet: Er kann später bremsen und höhere Geschwindigkeiten in die Kurve mitnehmen. Ein Automatiksystem kann das besser und schneller regeln als ein Mensch, weil das System elektronisch gesteuert wird.»
Was passiert gemäss des 44jährigen Schumacher, wenn die FIA fündig wird? «Es musste schon ein begründeter Verdacht von Racing Point bestehen, denn es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass man ein anderes Team in dieser Form nicht anpfeift, wenn man nicht hundertprozentig sicher ist. Sollte es der Fall sein, ist das natürlich eine Katastrophe für Renault, die dann das zweite Mal aufgefallen wären.»
«Beim ersten Mal hat man noch versucht, die Wogen zu glätten. Das war das Thema Motorleistung in Singapur, als die kinetische Energie-Rückgewinnung im Wagen von Ricciardo zu viel Leistung abgab http://www.speedweek.com/formel1/news/149371/Renault-zur-FIA-Zeitgewinn-lag-bei-0000001-Sekunden.html und der Australier ans Ende des Feldes versetzt wurde. Aber sollte sich das jetzt bewahrheiten, wäre das eindeutig Betrug.»
Doch wie flog das angebliche Vergehen von Renault auf? Der sechsfahre GP-Sieger Schumacher vermutet einen Whistleblower: «Es gibt mehr als 1000 Mitarbeiter bei beiden Teams. Der eine oder andere wird schon mal den Job wechseln, und dann kann es natürlich passieren, dass solche Infos nach aussen dringen. Das wäre die wahrscheinlichste Version.»
Heikle Frage: Was wussten die Piloten? Ralf Schumacher weiter: «Eine solche Geschichte kann nicht ohne Wissen der Piloten passieren. Wenn der Fahrer die Bremsbalance auf einmal nicht mehr selber verstellen muss, dann muss ihm das ja klar sein.»
Schumacher geht nicht von einem schnellen Urteil aus: «Es wird erst mal alles durchgegangen. Das ist ein hochkomplexes System, das vielleicht nicht ganz eindeutig ist. Renault wird sich auch Gedanken gemacht haben, wie das zu argumentieren ist Das kann lange dauern, und wie man aktuell sieht, ist die FIA schon mit den einfachsten Entscheidungen etwas überfordert. Das ist auf jeden Fall eine Mammutaufgabe, und der Autoverband muss sich auch ganz sicher sein, denn für Renault wäre es ein herber Rückschlag.»
Welche Strafe droht? Der schlimmste Fall gemäss Ralf Schumacher – dass Renault aus der WM-Wertung fliegt und es eine sehr hohe Geldstrafe gibt. Vielleicht sogar in der Grössenordnung von 100 Millionen, die McLaren im Rahmen der Spionage-Affäre 2007 bezahlen musste. Allerdings will Schumacher nicht an einen bewussten Betrug glauben: «Als Werksrennstall wäre das schon sehr fragwürdig. Man müsste die komplette Management-Ebene neu überdenken.»