Mattia Binotto zu Sebastian Vettel: «2021 erste Wahl»
Es war grosses Kino, das Ferrari dem neuen Modell SF1000 spendierte: Die Präsentation des 2020er Ferrari von Sebastian Vettel und Charles Leclerc im Stadttheater von Reggio Emilia war eine klasse Show mit allem, was dazugehört. Im Rahmen der Medienschaffenden kehrte Teamchef Mattia Binotto dann zu seiner üblichen Nüchternheit zurück.
Eine der heissesten Fragen für Binotto: Wie will er 2020 die beiden Alpha-Tiere Sebastian Vettel und Charles Leclerc bändigen und gleichzeitig zufrieden halten? Der in Lausanne geborene Italiener seufzt: «Das ist eine gute Frage. Charles hat seine erste Saison mit Ferrari hinter sich. Im ersten Jahr musste er Vertrauen fassen und alles lernen, nun kann er sich ganz auf die Ergebnisse konzentrieren. Wir gehen davon aus, dass er auf Augenhöhe mit Vettel fahren wird. Wir lassen den beiden zunächst freie Fahrt, dann sehen wir weiter.»
Einige Tifosi träumen davon, dass Lewis Hamilton Nachfolger von Vettel werden könnte. Die Verträge beider Superstars laufen Ende 2020 aus. Mattia Binotto: «Lasst mich auf diese Frage so antworten – wir gehen nicht davon aus, dass sich die Frage Hamilton auf dem Fahrermarkt stellen wird in den kommenden Jahren. Wir sagen aber mit Bestimmtheit: Sebastian Vettel ist unsere erste Wahl. Die Verhandlungen laufen, eine Vertragsverlängerung mit ihm hat Priorität. Aber das ist nicht alleine unsere Entscheidung. Im Mittelpunkt stehen jetzt das Auto, die Testfahrten, die ersten Rennen. Für den Rest – samt Vertragsverhandlungen – bleibt genug Zeit.»
Zum Modell SF1000 vertieft der 50-Jährige: «Wir haben das Konzept des Rennwagens nicht geändert. Radstand und Anstellwinkel sind ungefähr die gleichen geblieben, wenn wir diesen Wagen mit dem SF90 von 2019 vergleichen. Den Frontflügel, den ihr bei der Präsentation gesehen habt, ist die letztjährige Grundlage, auf welcher wir die Wintertests beginnen, nicht die definitive Version.»
«Im Zentrum unserer Arbeit stand das Ziel, dass der neue Wagen mehr Abtrieb aufbaut; nicht nur über die Flügel, sondern über das komplette Fahrzeug verteilt. Die seitlichen Luftleit-Elemente sind erheblich komplexer geworden. Das ganze Auto ist schlanker, um mehr aerodynamischen Spielraum zu erhalten.»
«Unsere Daten sagen: Wir haben mehr Abtrieb als 2019, gleichzeitig ist damit unvermeidbar, dass wir mehr Luftwiderstand haben. Jeder Rennstall tut sich schwer damit, hier die richtige Balance zu finden. Aber wir glauben, wir sind auf gutem Weg.»
«Auch wenn die Techniker viel mehr Simulations-Werkzeuge besitzen als ihre Kollegen früher, bleiben die Aussagen der Fahrer zentral, was die Entwicklung des Autos angeht. Ein Rennwagen muss dem Piloten ein gutes Fahrgefühl vermitteln, damit er sich optimal entfalten kann. Wir haben das auch 2019 gesehen: Dank unserer Änderungen ab Singapur konnten sich Vettel und Leclerc noch besser einbringen.»
Wichtiger Punkt: 2021 werden wir eine komplett neue Modellgeneration erhalten – wie teilt Ferrari in der kommenden Saison die Ressourcen auf zwischen Weiterentwicklung des SF1000 und der Entwicklung des Autos für 2021?
Binotto: «Die Projekte 2020 und 2021 sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe. Ein ganz neues Auto, wie wir es für 2021 bauen, erfordert sehr viele Ressourcen, mehr Zeit, mehr Simulationen. Wir werden zusätzliche Mittel zur Verfügung bekommen, um beide Aufgaben gut zu lösen.»
Wie sieht Binotto die kommende GP-Saison 2020? «Wir sind nicht jenes Team, das es zu schlagen gilt. Es gab Ende 2019 einen markanten Abstand zur Spitze. Wir müssen weiter wachsen. Wir schauen mit Ehrgeiz und Zuversicht in die Zukunft, aber uns ist auch klar, dass wir in allen Belangen weiter zulegen müssen.»