MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

30. Todestag von Soichiro Honda: Väterlicher Visionär

Von Thorsten Horn
Soichiro Honda mit einem Formel-1-Prototypen

Soichiro Honda mit einem Formel-1-Prototypen

Er verkörperte den Aufschwung der japanischen Autoindustrie: Soichiro Honda. Am 5. August 2021 ist es 30 Jahre, dass der Visionär für immer die Augen geschlossen hat, der für viele Angestellte wie ein Vater war.

Honda ist mit Max Verstappen und Red Bull Racing 2021 an die Spitze der Formel 1 zurückgekehrt. Wer hätte das gedacht nach Anfängen, die – gelinde ausgedrückt – bescheiden waren?

Immerhin konnte 1964 niemand Honda mangelnden Mut unterstellen, denn die Japaner brachten ihren ersten Formel-1-Werkswagen auf die schwierigste aller Rennstrecken, auf den Nürburgring, und mit einem unbeschriebenen Blatt am Lenkrad, dem Kalifornier Ronnie Bucknum.

Der Honda RA271 verblüffte die Fachwelt mit einem 1,5-Liter-V12-Motor, quer ins Heck eingebaut, im Grunde nichts anders als die zwölffache Form eines 125-ccm-Motorradmotors. Angeblich der kraftvollste Motor der 1500er-F1-Generation. Der Wagen hätte eigentlich schon beim Belgien-GP in Spa-Francorchamps eingesetzt werden sollen, wurde aber nicht rechtzeitig fertig.

Bucknum konnte von Glück reden, dass er auf dem Nürburgring ins Rennen gehen konnte, denn zum Start wurden nur die 22 Schnellsten zugelassen. Bucknum war mit seinem massiv übergewichtigen Renner zwanzig Sekunden langsamer als Giancarlo Baghetti in einem BRM und rund eine Minute (!) langsamer als John Surtees im Ferrari. Im Grunde rutschte Bucknum nur deshalb ins Feld, weil Scirocco-Fahrer André Pilette noch langsamer war und Carel Godin de Beaufort im Training zu Tode stürzte.

Im Rennen lief es für den Amerikaner besser, er fuhr regelmässig, wenn auch ausserhalb der Top-Ten. In der 12. von 15 Runden rutschte er wegen Lenkungsbruchs von der Bahn, wurde aber aufgrund der zurückgelegten Distanz auf Rang 13 gewertet. Bucknum kam mit dem Schrecken davon.

Nur ein Wagen wurde damals in Tokio vom Modell RA271 gebaut, der Wagen aus der Feder von Designer Yoshio Nakamura steht heute im Honda-Museum am Twin Ring Motegi. So wie weitere Schätze mit zwei und vier Rädern, die alle auf einen Mann zurückgehen, der für viele Angestellte wie ein Vater war, der Visionär Soichiro Honda.

Bescheidene Anfänge

Soichiro Honda wurde am 17. November in Hamamatsu in der Präfektur Shizuoka auf Honshu geboren, der Hauptinsel Japans, gut 100 Kilometer südwestlich von Tokio gelegen, als erstes von fünf Kindern. An der Schule hatte er eher geringes Interesse, an der Technik und Mechanik hingegen ungleich mehr. So trat er in Tokio eine Lehre in einer Reparaturwerkstatt für Fahr- und Motorräder, später auch für Autos an.

Mit Unterstützung seines dortigen Chefs Art Shokai kehrte er 1928 in seine Heimatstadt Hamamatsu zurück, um dort eine Niederlassung aufzubauen und als Direktor zu führen. Parallel dazu war er nach Feierabend bei seinem Chef, der Autorennen fuhr, als Rennmechaniker im Einsatz. 1931 meldete Soichiro Honda sein erstes Patent an, für eine Metallfelge.

Wurzeln im Motorsport

Im Juli 1936 bestritt Soichiro Honda als Fahrer und mit einem seiner Brüder als Beifahrer bei der «All Japan Speed Rallye» sein erstes Autorennen. Dieses endete mit seinem ersten von mehreren schweren Unfällen. Beim Oval-Rennen auf dem Tama-River-Kurs bei Tokio des gleichen Jahres lag er mit Rundenrekord bereits weit in Führung, als er beim Überrunden mit einem Nachzügler kollidierte und aus dem Auto geschleudert wurde. Das Auskurieren seiner schweren Verletzungen (Schulter- und Handgelenksbrüche sowie Gesichtsverletzungen) dauerte zwei Jahre.

Irgendwann erlangte er die Einsicht, sich auf das Konstruieren zu beschränken und gründete 1937 mit «Tokai Seiki Heavy Industry» seine erste eigene Firma. Mit dieser stellte er Kolben und Kolbenringe her. Dies tat er nicht in erster Linie des Profits wegen, sondern weil er sich der bis dahin dauernden ständigen thermischen Probleme der Verbrennungsmotoren annehmen wollte.

Unzählige unorthodoxe Versuche führte er mit verschiedenen Materialien und Metalllegierungen durch und erkannte dabei, dass sein Ausbildungsstand nicht ausreichte. Also begann er mit 31 Jahren ein Studium an einer technischen Universität. Im November 1937 tüftelte Soichiro Honda an einem aus einer Silikon-Metall-Mischung bestehenden Super-Kolbenring. Mit diesem wurde er Marktführer und Hauptlieferant von Toyota.

Honda entsteht

Im Zweiten Weltkrieg produzierte auch «Tokai Seiki Heavy Industry» für die japanische Armee. Für die Massenproduktion wurden in rauen Mengen auch weniger gut ausgebildete Arbeitskräfte benötigt, dem Soichiro Honda mit der Umstellung auf vollautomatisierte und Roboter-unterstützte Fertigung entgegen trat. Durch die kriegerische Zerstörung sowie einem verheerenden Erdbeben war Soichiro Hondas Fabrik nach Kriegsende schwer gezeichnet und dennoch so interessant, dass er diese für ein damaliges Vermögen an Toyota verkaufen konnte.

Danach war Leere in seinem Kopf, doch nach einem Jahr Auszeit und einem Selbstfindungsprozess gründete er im Oktober 1946 in Hamamatsu das «Honda Technical Research Institute» und begann mit der Produktion von Mofas mit Hilfsmotoren. Diese erwiesen vor allem bei der verarmten Bevölkerung als Verkaufsschlager.

Am 24. September 1948 gründete er dann die «Honda Motor Company», sein letztes und größtes Imperium. Anfangs wurden dort 50- und 98-ccm-Motoren angefertigt, die in Fahrräder eines Geschäftspartners montiert und als Mofas vertrieben wurden. Da der Fahrradproduzent bei den gelieferten Stückzahlen nicht Schritt halten konnte, entschloss sich Honda, komplette Fahrzeuge selbst zu bauen.

Das erste eigene komplette Honda-Motorrad war das Modell Namens Dream Typ D mit luftgekühltem 98 ccm Zweitaktmotor. Diese Technologie erschien Soichiro Honda allerdings nicht als zukunftsfähig, sodass er ab 1951 mit der Honda Dream Typ E mit 146-ccm-Viertaktmotor zur unkomplizierteren Viertakttechnik überschwenkte und auf dieser Schiene fürs zivile Leben blieb.

Die Rolle des Motorsports

Beseelt von der Philosophie, den weltweiten Motorradverkauf mit Erfolgen im Rennsport anzukurbeln, besuchte er 1954 die Isle of Man. Es dauerte allerdings bis 1959, als Honda nach ausgiebigen Tests und nationalen Rennen in Japan die Weltbühne betrat. 1960 eroberte Teisuke Tanaka als Dritter beim Großen Preis von Deutschland auf der Solitude bei Stuttgart den ersten Podestplatz für Honda und beim WM-Auftakt 1961 errang der Australier Tom Phillis auf dem Montjuich-Kurs in Barcelona im Rennen der Klasse bis 125 ccm den ersten Grand-Prix-Sieg für das aufstrebenden Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne. In jenem Jahr war man auch in der Klasse bis 250 ccm überaus erfolgreich, sodass am Jahresende beide Weltmeistertitel an Tom Phillis bzw. Mike Hailwood gingen. Es war die Ouvertüre zu einer beispiellosen und bis heute währenden Erfolgsgeschichte. Mit bislang insgesamt 61 Titeln steht Honda unangefochten an der Spitze der Liste der errungenen Motorrad-Weltmeisterschaften.

Doch Soichiro Honda war kein reiner Motorrad-Verfechter sondern ein Fahrzeug-Fanatiker auf ganzer Breite. So entstand bereits in den 1950er-Jahren sein erster Rennwagen. Damals war er auch im Autohandel tätig und stellte mehr zum persönlichen Vergnügen ein Auto mit einem selbstgebautem Fahrwerk und einem gewaltigen amerikanischen V8-Flugzeugmotor auf die Räder.

Als es dann Anfang 1962 zu Gesetzesvorlagen kam, dass die japanische Regierung, gemäß des Vorbilds USA, die Zahl großer japanischen Automobil-Hersteller auf drei limitieren wolle, war Eile geboten. Honda entwickelte innerhalb kürzester Zeit zwei Autos, den Kleinwagen T360 und das Sportcabriolet S360, und stellte diese bereits im Oktober des gleichen Jahres auf der Automobilausstellung in Tokio der Öffentlichkeit vor. Damit war man der Regierung zuvorgekommen, denn nun war ein derartiges Gesetz ad absurdum geführt.

Natürlich sollte es nicht bei den zwei Schnellschüssen bleiben, denn Honda avancierte auch um Vierradbereich schnell zu einem der bedeutendsten Hersteller. Und wieder sollte der Motorsport den Weg ebnen bzw. den Bekanntheitsgrad rasch steigern. Dazu fasste man einen Einstieg in die Formel 1 ins Auge, besorgte sich über Jack Brabham einen Cooper-Climax und begann anhand dessen Chassis ein eigenes zu entwickeln (siehe unser Foto). Als Antriebsaggregat wählte man eine völlige Eigenentwicklung, und zwar einen 12-Zylinder in V-Anordnung.

Es folgte der Waagrechtstart von Ronnie Bucknum in der Saison 1964, und auch im darauf folgenden Jahr wurde lange Lehrgeld bezahlt – bis es beim Saisonfinale in Mexiko-Stadt Richie Ginther gelang, seinen und Hondas ersten Sieg in der Formel 1 einzufahren. Es war auch der ersten GP-Triumph der Reifenmarke Goodyear.

Triumph und Tragödien

Nachdem der Franzose Jo Schlesser beim Großen Preis von Frankreich am 7. Juli 1968 in Rouen in einem Honda tödlich verunglückt war, beschloss Soichiro Honda den Rückzug seines Teams aus der Formel 1 zum Jahresende.

1977 wurde in der Konzernspitze die Rückkehr in die Formel 1 beschlossen. Allerdings beschränkte man sich auf die übliche Produktion eines Motors für eines oder mehrere ansonsten unabhängigen Teams. Dafür gab man sich sechs Jahre Vorlauf, um eine geeignete Techniker- und Ingenieurmannschaft zusammenzustellen. Nach nur einem Lehrjahr in der Königsklasse des Motorsports gewann Keke Rosberg 1984 am Steuer eines Willimas-Honda den Grand Prix von Dallas.

1987 feierte man dann weiterhin als Motorenlieferant von Williams und dem Brasilianer Nelson Piquet am Steuer den ersten Formel-1-WM-Titel. Daran schloss sich eine Siegesserie mit vier weiteren WM-Titeln in Folge (1988 bis 1991) mit McLaren sowie den Piloten Ayrton Senna und Alain Prost an.

Den letzten WM-Titel konnte Soichiro Honda nicht mehr mitfeiern. Er verstarb am 5. August 1991 nach einem arbeitsreichen, aber erfüllten Leben im Alter von 84 Jahren.

Noch immer spielt die Formel 1 eine gewichtige Rolle bei Honda: Mit Max Verstappen und Red Bull Racing kehrten die Japaner an die Spitze der Formel 1 zurück.

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