Max Chilton: Nico Hülkenberg ideal für Haas 2016?
Nico Hülkenberg ist ein gefragter Mann
Die Vorgabe ist klar: «Wir brauchen Piloten mit Erfahrung», hat der US-amerikanische Unternehmer Gene Haas wiederholt klargemacht. «Wir sind Neulinge, da können wir vom Wissen eines routinierten Piloten nur profitieren.»
Haas’ Teamchef, der Südtiroler Günther Steiner, sagte vor kurzem: «Wir haben mit ungefähr zehn Piloten gesprochen. Generell würden wir Ende Sommer gerne eine Entscheidung treffen. Denn dann können wir uns angemessen vorbereiten, der Wagen muss auf den Piloten passen, wir wollen auch genügend Zeit haben, um dem Fahrer erklären zu können, was wir alles vorhaben. Wir sind ein neues Team, da brauchen wir auch die Hilfe des Piloten. Wir wollen wissen, was ein Fahrer von uns erwartet, um für 2016 bereit zu sein. Wir wollen also im September mindestens einen Mann an Bord haben. Ideal wären beide.»
Der Engländer Max Chilton, 2013 und 2014 mit Marussia in der Formel 1, glaubt zu wissen, wer auf der Liste von Gene Haas steht. Der 24-Jährige hat gegenüber der britischen Sky bestätigt, dass er mit dem neuen Rennstall verhandelt hat, «ich bin definitiv einer dieser Zehn», meint der heutige Indy-Lights-Fahrer (gegenwärtig Meisterschaftszweiter).
«Ich würde liebend gerne in die Formel 1 zurückkehren, aber ich habe den starken Eindruck, dass einer der Plätze an einen Akademie-Fahrer geht, da Ferrari einen grossen Einfluss auf dieses Projekt hat. Und dann höre ich, dass sie dazu einen erfahrenen Mann wollen.»
Haas mit Pilot aus Ferrari-Akademie?
Mit Akademie meint Chilton das Nachwuchsprogramm von Ferrari. Jules Bianchi war der erste Fahrer, mit dem die gezielte Förderung von Ferrari Früchte tragen sollte: der Südfranzose war für 2016, spätestens 2017 als Kimi-Räikkönen-Nachfolger bei Ferrari fest eingeplant, an der Seite von Sebastian Vettel. Bianchi hätte ab 2015 bei Sauber den letzten Feinschliff für den Schritt in eine Top-Team erhalten sollen. Aber der Unfall von Suzuka am 5. Oktober machte alles zunichte, am 17. Juli 2015 erlag Bianchi seinen schweren Verletzungen.
Bianchi war der erste Akademie-Fahrer, er wurde 2009 aufgenommen, damals fuhr der Schlacks aus Nizza in der Formel 3.
Es folgten einigen Piloten, die aus unterschiedlichen Gründen wieder aus dem Programm ausschieden: Die Italiener Mirko Bortolotti und Daniel Zampedri, Sergio Pérez, der einen Ferrari-Vertrag beendete, um bei McLaren sein Glück zu versuchen, der Franzose Brandon Maisano.
Heute besteht die Akademie noch aus vier Piloten: Lance Stroll wurde 2010 als Kartfahrer unter Vertrag genommen, damals noch nicht einmal ein Teenager. Der Kanadier, Sohn des steinreichen Bekleidungs-Industriellen Lawrence Stroll, fährt gegenwärtig in der Formel-3-EM für Prema, wo sich sein Vater eingekauft hat. Der Junge hat ohne jeden Zweifel Talent, kann aber auch ungestüm sein – in Belgien löste er eine Highspeed-Massenkarambolage aus und wurde dafür von den Rennkommissaren für ein Rennen gesperrt. Stroll liegt in der Europameisterschaft derzeit auf dem achten Zwischenrang.
Der in Zürich geborene Raffaele Marciello (20) wurde wie Stroll 2010 ins Nachwuchsprogramm aufgenommen und bestreitet 2015 seine zweite Saison in der GP2. Im vergangenen Jahr wurde er Gesamtachter, gegenwärtig liegt er auf Zwischenrang 6. Marciello hat in diesem Jahr für Sauber und Ferrari getestet.
Der Italiener Antonio Fuoco (19) liegt auf dem achten Zwischenrang der GP3-Serie. Sein erster Test mit Ferrari auf dem Red Bull Ring endete mit Schrott. Er war vor zwei Jahren ins Ferrari-Kader berufen worden.
Guanyu Zhou (16) schliesslich bestreitet seine erste Saison als Autorennfahrer – in der italienischen Formel 4 liegt der Chinese auf Rang 2, in der deutschen Formel 4 auf Rang 11.
Ferrari beschränkt sich auf dieses Quartett, eine Erweiterung für 2016 ist derzeit kein Thema. Gleichzeitig wird am Kurs mit dem Nachwuchs festgehalten, der Tod von Jules Bianchi stellt das Programm selber nicht in Frage. Jeder der vier Fahrer wird in Ruhe auf die nächsthöhere Kategorie vorbereitet.
Fazit: Höchstens Marciello wäre die die Formel 1 bereit, aber die meisten Experten im Fahrerlager sind der Überzeugung – er hat zu wenig gezeigt, um ihn in den GP-Sport zu bugsieren.
Hülkenberg? Vergne? Gutiérrez?
Vielleicht hat sich Chilton nur ein wenig vertan. Denn Ferrari hat auch zwei Piloten unter Vertrag, welche zwar nicht der Akademie angehören, die jedoch genügend Formel-1-Erfahrung besitzen, um dem Anforderungsprofil von Gene Haas zu genügen – Esteban Gutiérrez und Jean-Eric Vergne.
Der Franzose hat unlängst anklingen lassen, dass er verschiedene Möglichkeiten habe, um 2016 wieder Formel 1 zu fahren. Gutiérrez wäre aus wirtschaftlichen Gründen für Ferrari und Haas äusserst interessant – Mexiko ist ein Boom-Markt.
Max Chilton sagt weiter: «Wenn Haas einen Mann von Erfahrung sucht, dann könnte das meiner Meinung nach Nico Hülkenberg sein. So viele erfahrene Piloten, die frei sind, gibt es nicht.»
Nochmals Günther Steiner: «Wir suchen nach jemandem, der Erfahrung und Speed bringen kann, das ist uns ganz wichtig. Einen Piloten mit Erfahrung zu holen, liegt auf der Hand. Wir sind ein neues Team, da müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir eine Reihe bekannter Faktoren benötigen. Und ein Routinier ist ein solcher bekannter Faktor. Wir haben eine Truppe zusammengestellt, die so noch nie gearbeitet hat. Es wird unser erster Formel-1-Renner sein. Also brauchen wir Piloten, die auf Schwachstellen am Wagen oder bei der personellen Struktur hinweisen können. Ein Pilot mit Erfahrung kann dir viel besser sagen, wo du wirklich stehst. Und wenn dieser Mann dann auch noch einen schweren rechten Fuss hat, dann umso besser!»