Lotus: Material in Belgien frei, Monza-Start möglich
Die Gerichtsvollzieher bei Lotus
Die Lotus-Truppe wusste am Sonntag nicht, ob sie lachen oder weinen sollte: Romain Grosjean bescherte dem Team einen grossartigen dritten Platz (die erste Podestplatzierung des Genfers nach 21 Monaten), aber da galt das Material der Schwarzen bereits als beschlagnahmt – nach einem Besuch der Gerichtsvollzieher.
In der Kreide stand Lotus nicht nur beim früheren Testfahrer Charles Pic (wir hatten online berichtet), sondern auch bei Toyota für die Miete des Motorhomes sowie bei Helmhersteller Bell.
Welcher Art die Einigung zwischen Lotus und den Gläubigern ist, wird nicht verraten. Fest steht hingegen, dass der Autoverband FIA die Situation aufmerksam beobachtet. Es wäre nicht das erste Mal, dass die FIA bei einem finanziell klammen Team einschreitet.
Gerichtsvollzieher oder Polizei im Fahrerlager, das ist nicht das Image, das für die Formel 1 gesucht wird. Aufgrund von Vorkommnissen, «die dem Ansehen des Sports schaden», musste die FIA auch schon einschreiten. Der Andrea-Moda-Rennstall wurde einst von der WM ausgeschlossen und nicht ins Fahrerlager von Monza gelassen.
So weit wird es mit Lotus kaum kommen, zumal Renault noch immer mit dem Gedanken spielt, das Team aus Enstone zurück zu kaufen und wieder zum Werksrennstall der Franzosen zu machen.
Lotus befindet sich seit längerem in Finanznöten, in Ungarn rückte wegen Unregelmässigkeiten bei der Bezahlung Reifenlieferant Pirelli zunächst keine Walzen heraus.
Operationsleiter Alan Permane gibt zu: «Das ist finanziell das schwierigste Jahr, und es nicht einfach, die Autos jeweils auf die Bahn zu bringen.» Umso erstaunlicher der dritte Rang von Grosjean in Belgien.
Permane über Renault: «Das ganze Werk ist natürlich in heller Aufregung, wir würden sie mit offenen Armen empfangen. Wir haben eine formidable Arbeitsbeziehung mit Mercedes, aber wieder Werksrennstall zu sein, das wäre natürlich etwas ganz anderes.»
Lotus (2009 von Renault übernommen) befindet sich deshalb in finanzieller Schräglage, weil die neuen Besitzer Genii Capital (um Lopez) mit mehr Einnahmen durch Sponsoren und aus dem Preisgeldtopf von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone kalkuliert hatten. Und weil die Antriebseinheiten der neuen Turbo-Generation seit 2014 sündhaft teuer sind.
Was viele vergessen haben: das heutige Lotus (das mit dem früheren Rennstall gleichen Namens von Colin Chapman nichts zu tun hat) ging aus dem Toleman-Rennstall hervor, der anfangs der 80er Jahre aus der Formel 2 in die Formel 1 aufgestiegen war.
Ayrton Senna debütierte 1984 mit Toleman in der Formel 1.
Ted Toleman verkaufte sein Team später an Benetton, die zuerst Sponsor des Rennstalls gewesen waren. Team-Manager wurde Flavio Briatore, unter dessen Leitung Michael Schumacher 1994 und 1995 Weltmeister wurde.
In der Saison 2000 war Renault als Werksrennstall zurück, mit Fernando Alonso gab es 2005 und 2006 zwei weitere Titel, Ende 2009 verkauften die Franzosen das Team jedoch schrittweise an Genii Capital.
Die Lotus-Lkw sind nun auf dem Rückweg nach Enstone, wo die Rennwagen für den Einsatz in Monza vorbereitet werden.