Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Stefan Johansson zu Teenie-Fahrer: «40 Mal in Mauer»

Von Mathias Brunner
​Der frühere Grand-Prix-Fahrer aus Schweden über den Jugendwahn in der Formel 1: Ist eine Formel 1 zu einfach, in welcher der 17jährige Max Verstappen munter mitgeigen kann?

Ein Formel-1-Urgesteine regte sich vor gut einem Jahr bei mir auf: «Der Autoverband FIA muss einschreiten. Wenn Max Verstappen mit 17 einen Formel-1-Vertrag bekommt und aus der Formel 3 direkt in den GP-Sport hüpft, wo soll das enden? Dass einer mit 15 oder 16 aus dem Kart ins Formel-1-Auto wechselt? Die FIA muss handeln.»

Die FIA hat gehandelt: Ab 2016 gilt nicht nur ein Mindestalter von 18 Jahren, die aufstrebenden Fahrer müssen auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren in den Nachwuchsklassen Punkte sammeln und sich so den Formel-1-Führerschein namens Superlizenz verdienen.

Stefan Johansson (59) kam 1983 mit Spirit-Honda zum Formel-1-Debüt, der Schwede war damals 26 Jahre alt. Er meint über die moderne Fahrergeneration in seinem Blog auf der eigenen Webpage: «Die Fahrer entwickeln sind ganz anders als damals. Jeder hat sich darüber den Mund zerrissen, wie jung Verstappen ist und dass sein frühes Debüt eigentlich verrückt sei. Aber die Umstände haben sich geändert. Die Kids entwickeln sich viel schneller, weil sie sehr viele Arbeitswerkzeuge haben – diese ganze Technik, nicht nur im Rennsport, überhaupt im täglichen Leben. Es gibt so viel Information und Arbeitsmittel, dass man gewisse Begabungen viel gezielter fördern kann als vor zwanzig, dreissig Jahren.»

Der frühere Ferrari- und McLaren-Pilot Johansson weiter: «In gewisser Weise hat ein 17-Jähriger heute unter Umständen mehr Erfahrung als damals ein 26- oder 27-Jähriger. Allein die Zeit, die ein Teenie im Simulator verbringen kann. Wenn wir damals erstmals im GP-Renner sassen, dann war das wirklich das erste Mal.»

«Heute kann ein Talent monatelang im Simulator hocken und kennt im Grunde sein Cockpit wie seine Westentasche, bevor er auch nur auf eine echte Rennstrecke hinausgerollt ist. Die Simulationstechnik ist so wirklichkeitsnah und detailtreu – die Jungen sind virtuell schon 40 Mal in der Mauer gehängt, bevor sie zum ersten Mal real testen. Die ganze Fleissarbeit ist bereits erledigt.»

«Was aber das ganze Rennhandwerk der modernen Fahrer angeht, oder vielmehr den Mangel davon – es ist grauenvoll. Sie alle können schnell fahren, weil sie nicht nur Talent, sondern auch die ganzen Übungsinstrumente haben. Aber wenn es dann zum puren Racing kommt, scheinen viele von ihnen etwas ratlos zu sein. Ich sehe nur eine Handvoll, die richtig gut Rennfahren.»

«Anhand der Datenmenge kann ein heutiger Pilot leicht herausfinden, wo er zu wenig schnell ist. Es ist anhand der ganzen Informationen möglich, aus einem durchschnittlichen Fahrer einen guten Piloten zu machen. Ich wünschte, ich hätte diese Informationen zur Verfügung gehabt, um zu sehen, wo Ayrton Senna oder Alain Prost die ganze Zeit herausholen. Aber wir hatten nichts dergleichen. Du musstest da rausfahren und es einfach versuchen. Wenn du Glück hast, dann konntest du dich an einen guten Mann anhängen und hinter ihm vielleicht den einen oder anderen Kniff abgucken. Fragen konntest du dir sparen. Wenn du zu schnell warst, dann haben sie dich sowieso nur angelogen. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Ich tat das Gleiche.»

«Und doch – trotz der ganzen Datenmengen heute kannst du keinen grossartigen Fahrer gestalten. Und das ist letztlich eben der Unterschied zwischen Bezahlfahrern und Stars. Damit wir uns richtig verstehen: Es gibt in der Formel 1 keine schlechten Fahrer. Aber sehen wir wirklich die 20 besten Monoposto-Fahrer der Welt? Das wage ich zu bezweifeln.»

«Die herausragenden Fahrer werden sich immer abheben, ob mit Arbeitswerkzeugen oder ohne. Was ich aber schade finde: Viele gute Fahrer, welche das Potenzial zu Grösse haben, fallen links und rechts durch das Sieb, bevor sie auch nur die Möglichkeit erhalten zu zeigen, was sie wirklich können.»

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