Forward-Chef Giovanni Cuzari: Muss er bald zusperren?
Die Nachrichten vom baldigen Ableben des Forward-Moto2-Teams sind übertrieben. Vorläufig zumindest. Seit dem Brünn-GP wird erzählt, die Mannschaft von Giovanni Cuzari werde für die Saison 2017 keinen Startplatz mehr erhalten.
Deshalb bekam zum Beispiel Lorenzo Baldassarri in den letzten Wochen einige Anfragen von Konkurrenzteams, die noch auf der Suche nach starken Piloten für die Saison 2017 sind.
Aber momentan lässt sich noch nicht abschätzen, ob Forward Racing auch nächstes Jahr antreten wird. Es existieren gültige Fahrerverträge für Lorenzo Baldassarri und Rossis Bruder Luca Marini, beide werden von der VR46 Academy ins Forward-Team transferiert.
Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass bei Forward Racing nicht erst seit Cuzaris Verhaftung im Juli 2015 immer wieder von unbezahlten Rechnungen, unbezahlten Gehältern und ausstehenden Fahrergagen die Rede ist.
Bei Kalex, bei 2D Data Recording, bei Öhlins und anderen Lieferanten ist immer wieder von offenen Rechnungen zu hören, Cuzari vertröstet die Geschäftspartner regelmäßig und bezahlt oft erst bei der letztmöglichen Gelegenheit, mit Monaten oder Jahren Verspätung, oft erst bei drohenden Gerichtsverfahren.
Auch bei Fahrern wie Alex De Angelis, Colin Edwards, Loris Baz und Stefan Bradl waren oder sind offenkundig noch Teile der Fahrergagen ausständig. Der Vater von Loris Baz sprang Cuzari deshalb beim Jerez-GP 2016 fast an die Gurgel.
Diese schleppende und nicht gerade vorbildliche Zahlungsmoral hat auch bei der VR46 Academy keine Begeisterung ausgelöst. Cuzari steht deshalb gehörig unter Druck.
Seit seinem mehrwöchigen Gefängnisaufenthalt im Sommer 2015, es ging um Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Vorspiegelung falscher Tatsachen, halten etliche ehemalige Sponsoren Abstand zum Forward-Team. Die meisten Geldgeber sind abgesprungen.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Baldassarri in der Saison 2016 schon einen zweiten Platz in Mugello und am Sonntag den sensationellen Sieg in Misano errungen hat und in der WM an neunter Position liegt.
Die beiden MotoGP-Plätze hat Forward-Chef Cuzari bereits nach der Saison 2015 verloren, weil die Dorna-Eigentümer keine negativen Schlagzeilen mit zwielichtigen Teambesitzern haben wollten. Ausserdem konnte die Dorna die zwei Startplätze für KTM 2017 gut gebrauchen...
Forward gewann in der MotoGP-WM 2014 mit Aleix Espargaró auf Yamaha immerhin die Open-Class, 2015 fuhr die Mannschaft mit Bradl und Baz wieder auf Yamaha. Doch Stefan Bradl wechselte 2015 in der Sommerpause zum Aprilia-Werksteam. Seinen Platz übernahm dann Claudio Corti, später Toni Elias.
Giovanni Cuzari betreibt seinen Rennstall mit viel Engagement und Leidenschaft, aber sein Geschäftsgebaren ist nicht über alle Zweifel erhaben.
Deshalb haben ihm die Dorna und die Teamvereinigung IRTA jetzt das Messer an die Brust gesetzt. Forward Racing muss jetzt schleunigst alle ausstehendenden Mechaniker-Gehälter von 2015 bezahlen, sonst verfallen die beiden Moto2-Plätze für 2017.
Aber Forward ist nicht der einzige Rennstall, der finanziell in der Klemme steckt. Und die Teamvereinigung IRTA fühlt sich nicht für offene Rechnungen ihrer Teams bei Lieferanten verantwortlich, das falle nicht in ihr Aufgabenbereich, ist zu hören.
Die Moto3-Teams von Racing Team Germany und TMW sind in den letzten zwölf Monaten in die Zahlungsunfähigkeit geschlittert. Von einer Insolvenz ist Forward Racing bisher offensichtlich nicht bedroht.
Und die IRTA hält geduldig ihre schützende Hand über alle Rennställe, die lange dabei sind. Forward Racing ist in der Moto2-WM quasi von Anfang an dabei, auch wenn der Rennstall im ersten Moto2-Jahr 2010 noch von Ex-Hayate-Teamchef Andrea Dosoli betrieben wurde.
Der Ausgang dieser Geschichte ist offen: Das SKY VR46-Team hat noch den zweiten Moto2-Platz neben Pecco Bagnaia unbesetzt. Valentino Rossi hält den zweiten Platz bisher für seinen Bruder Luca Marini frei. Er könnte ihn aber jederzeit auch mit Baldassarri besetzen, wenn das Forward-Team zusammenbricht. Für Luca Marini findet sich auch anderswo ein Platz.
Warum tun sich IRTA und Dorna so schwer, notorisch säumigen Zahlern unter den Teambesitzern das Handwerk zu legen? «Weil wir dann mehr als die Hälfte der Teams verlieren würden», räumte ein Spitzenfunktionär seufzend ein.