MotoGP: Für Marc Marquez endet eine Ära

Johnny Rea gegen Davies: Wie der große Streit begann

Von Ivo Schützbach
Das Superbike-WM-Finale 2016 legte den Grundstein für die erbitterte Rivalität zwischen Chaz Davies und Jonathan Rea. Rekord-Weltmeister Carl Fogarty meint, dass es solche Fights unbedingt braucht.

In der letzten Dekade des alten Jahrtausends erlebte die Superbike-WM einen Höhenflug. Die Rennen waren gut besucht, die Fahrer echte Typen. Der erfolgreichste von ihnen ist der Engländer Carl Fogarty. Der heute 51-Jährige begeisterte, polarisierte, sorgte für offene Münder. Politische Korrektheit ist ihm verhasst.

«Als ich Rennen fuhr, trafen große Charaktere aufeinander: Kocinski, Edwards, alle hatten eine große Klappe, keiner mochte den anderen, das ist interessant», meinte Fogarty im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Heute ist jeder der beste Freund des anderen, sie gehen zusammen zum Rennradfahren und Bergsteigen. In meiner Zeit gab es einen Engländer – mich. Und es gab einen großartigen Amerikaner – Edwards. Wir beide hatten eine große Klappe, das begeisterte die Fans. Wir haben uns wie im Boxsport erst einen verbalen Schlagabtausch geliefert, danach haben wir auf der Rennstrecke bekämpft. Das fehlt, heute ist jeder politisch korrekt. Auch in der MotoGP-WM ging es früher anders zu. Es gab Schwantz, Rainey, Doohan, Gardner, das waren ungezogene, garstige Typen, die sich nicht riechen konnten. Heute ist das anders, seit Rossi ist jeder nett.»

Dass sich Weltmeister Jonathan Rea und Ducati-Werksfahrer Chaz Davies in Assen in der Superpole in die Quere kamen, wäre nur eine Randnotiz geworden. Doch als sie sich anschließend im Parc fermé beinahe an die Gurgel gingen und in den Wochen darauf kein gutes Haar aneinander ließen, bekam die Sache eine Würze, die ganz nach dem Geschmack von Fogarty ist. Und die der Superbike-WM guttut in Anbetracht der Dominanz der Werksteams von Kawasaki und Ducati.

«Ich bin clever genug um zu verstehen, wie es läuft – und ich komme damit klar», meine Rea auf die Frage, weshalb er nicht öfter auf dem Medienklavier spielt. «Ich bin aber kein Bad Boy. Ich weiß, dass solche Dinge Teil des Spiels sind, ich will dieses Spiel aber nicht spielen. Ich fahre nicht Rennen, um Reden zu schwingen oder die Fans zu Diskussionen anzustacheln. Ich will Rennen fahren, danach heimgehen und mein Leben genießen.»

Rea schenkte Sykes WM-Rang 2

Schon beim Saisonstart auf Phillip Island gab es den ersten Zusammenstoß, als sich Davies in ein Gespräch von Rea mit Pressvertretern einmischte. «Das war das erste Mal, dass so etwas geschah», hielt Rea fest. «Was letztes Jahr in Katar passierte, war auch nicht hilfreich.»

Damals winkte Rea seinen Kawasaki-Teamkollegen Tom Sykes in der letzten Runde vorbei und machte ihn damit zum Vizeweltmeister. Davies kostete das viel kritisierte Verhalten des Nordiren nicht nur WM-Rang 2, sondern auch jede Menge Geld.

«Wenn einem so etwas widerfährt, ist das nicht nett», ist sich Rea bewusst. «Aber ob richtig oder falsch, ich werde von Kawasaki bezahlt. Und Kawasaki wurde so Erster und Zweiter in der Weltmeisterschaft. Damals hat er wohl etwas den Respekt vor mir verloren. Abseits der Rennstrecke hatte ich mit diesem Kerl nie etwas zu tun und werde das auch nie haben. Auf mein Leben hat unser jetziges Verhältnis also keine Auswirkungen. Ich habe im Fahrerlager so gute Leute um mich herum, dass ich mir keine Sorgen machen muss wegen Freundschaften. Natürlich kann er seine Gefühle zum Ausdruck bringen, er wird aber immer gleich wütend. Ich muss nicht laut werden um glauben zu können, was ich sage.»

Der zweifache Champion weiter: «Katar 2016 war der Auslöser. 2015 war ich in Sepang auf dem Weg zu meinem ersten WM-Titel. Ich überholte ihn in der letzten Kurve, er ließ die Bremse los und rammte mich. Wäre ich nicht dort gewesen und er hätte mich nicht als Anlieger benützen können, hätte er eine weite Linie wählen müssen. Ich sagte kein Wort, machte keine Riesengeschichte daraus. Zu mir selbst sagte ich damals, dass ich die WM jetzt halt im nächsten Rennen gewinne. So ist Racing. Was auf der Strecke geschieht, geschieht auf der Strecke.»

«Ich verstehe, dass er frustriert ist. Die Ducati ist ein gutes Motorrad. Melandri lag 18 Monate auf dem Sofa, kam zurück und kämpft nahe der Spitze. Auch Fahrer wie Forés mischen vorne mit, das ist ein starkes Bike. Es ist nicht unmöglich, damit zu gewinnen. Ende letztes Jahr hat er sechs Rennen in Folge gewonnen. Dass er nicht Weltmeister wurde, kannst du nicht dem Motorrad anlasten.»

Vor den Rennen in Donington Park führt Rea die Weltmeisterschaft mit 74 Punkten Vorsprung auf Davies souverän an.

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