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Entwicklungsland Schweiz: Große Hürden für Rennfahrer

Kolumne von Peter Schmitter
Obwohl die Rahmenbedingungen für Motorsportler und im Speziellen für Motorradrennfahrer in der Schweiz erdenklich schlecht sind, schaffen es regelmäßig Piloten in die Weltmeisterschaft.

2016 sehen wir Tom Lüthi, Dominique Aegerter, Robin Mulhauser und Jesko Raffin in der Moto2-, dazu Dominic Schmitter in der Superbike- und Randy Krummenacher in der Supersport-Weltmeisterschaft. Sechs Schweizer, die international die Flagge der Eidgenossen hochhalten, obwohl die Voraussetzungen zuhause denkbar schlecht sind.

Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen sind in der Schweiz seit über 60 Jahren verboten, d.h. in der Verfassung verankert. Das Verbot ist eine Folge eines Unfalls in Le Mans 1955, wo bei einem schweren Unfall (Autos) über 80 Personen (davon 23 Schweizer) ums Leben kamen. Mag sein, dass damals für die Zuschauer die Sicherheitsbedingungen ungenügend waren. In der Zwischenzeit hat sich aber vieles verändert. Rennstrecken gelten heute für Zuschauer als absolut sicher. Auch die wirtschaftliche Bedeutung eines professionell betriebenen Trainings- und Rennstreckenbetriebs in der Schweiz hat seine Anhänger.

Das Rundstreckenrennverbot zu kippen hat schon einige Versuche überstanden. Der letzte Versuch war eine Petition, eingereicht mit 71.400 Unterschriften durch Walter Wobman (FMS-Präsident, SVP), am 30. Mai 2011. Der Nationalrat hatte damals die Petition zur Aufhebung des Verbots mit 95 zu 69 Stimmen angenommen. Doch in der Schweiz haben wir ein Zwei-Kammern-System, d.h. der Ständerat muss der Sache auch zustimmen, bis etwas geschieht.

Der Ständerat hat die Petition aber knapp abgelehnt und zurückgewiesen. Jetzt beginnt das Spiel wieder von vorne. Mich hat es interessiert und ich habe nachgefragt, mit welcher Begründung der Ständerat das Anliegen zurückgewiesen hat. Begründung: falscher Zeitpunkt! Wenn 2011 nicht der richtige Zeitpunkt gewesen ist, wann dann? Durch die Finanzkrise hätte man bis heute genügend Investoren für eine Rennstrecke gefunden.

Der Sport ist verboten!

Das Rundstreckenrennverbot heißt für Motorsportler, dass der Sport den wir tun, in der Schweiz «verboten» ist.

Für Motorradrennsportler aus der Schweiz bedeutet dies:

• dass sie weite Wege für Trainings und Rennen auf sich nehmen müssen und damit zusätzliche Kosten haben.
• dass die Unterstützung aus der Industrie fehlt, bis es jemand auf die WM-Ebene geschafft hat. Denn die Industrie hätte viel größeres Interesse an Motorsportlern, wenn es auch einen Großen Preis der Schweiz gegen würde – und zwar im eigenen Land.
• dass es keine echte Motorsportszene gibt mit Vereinsstrukturen und Helfern.
• dass es nicht möglich ist einen Motorradrennsportler in eine Sportschule zu schicken, da diese auf den Vereinsstrukturen aufbauen.

Der Motorradrennsport hat in der Schweiz trotz der schlechten Rahmenbedingungen einen hohen Stellenwert. Bei uns kommt es regelmäßig vor, dass bei einer Podiumsplatzierung von Tom Lüthi oder Dominique Aegerter in der Tagesschau nach dem ersten Kriegs- und Wirtschaftsbericht als dritter Bericht die Motorrad-WM kommt. Und dies in der besten Sendezeit. Ich glaube, dass in Deutschland eine Podiumsplatzierung von Stefan Bradl oder Jonas Folger nicht unbedingt eine Headline in die Tagesthemen schafft. Vielmehr in die Sportnachrichten. Auch die Tageszeitungen in der Schweiz sind dann voll von Berichten. Eine der besten Einschaltquoten überhaupt hatte der WM-Lauf von Tom Lüthi, als er 2005 Weltmeister wurde.

Andere Sportarten wie Fußball oder Skirennen haben es trotz der viel besseren Vernetzung und Unterstützung schwieriger in die Medien zu kommen. Und warum hat das Land mit einem Rundstreckenrennverbot und einem Rasergesetz (zu schnelles Fahren ist in der Schweiz seit 2013 eine Straftat, für die man ins Gefängnis kommen kann – unabhängig von Vorstrafen) in der Moto2-WM mit vier Fahrern eines der größten Länderkontingente?

Schweizer Markt ist uninteressant

Für WM-Vermarkter Dorna sind die Schweiz oder ein Schweizer Rennfahrer nicht interessant genug. Bei acht Millionen Einwohnern ist die Schweiz marketingtechnisch keine Macht. Die Dorna wird in Zukunft Fahrer aus Ländern, wo der Verkauf von Motorrädern boomt und welche bevölkerungsreich sind, bevorzugen. Aus Asien etwa.

Trotz all dieser Widrigkeiten schafften es Schweizer Rennfahrer, welche nicht vom Elternhaus gefördert werden, in die MotoGP-WM, allen voran Lüthi und Aegerter. Weil sie Industriesponsoren fanden. Für Schweizer Firmen ist MotoGP ein gutes Marketing-Instrument, um weltweit bekannt zu werden. Zudem haben auch viele Manager den «Virus» Motorrad in sich. Das wird aber abnehmen, die Zukunft sieht schlecht aus. Pocketbike, Supermotard und die Motocross-Szene kämpfen mit Teilnehmerschwund. Die Schweizer Meisterschaft Straßenrennsport ist nur noch eine Hobbyveranstaltung und wird auch in entsprechenden Hobbyveranstaltungen organisiert.

Meinem Sohn Dominic Schmitter habe ich geraten, die Richtung Superbike-WM einzuschlagen. Ich glaube an die Wiedergeburt der Superbike-WM, weil sich die Menschen dort nicht nur mit dem Rennfahrer, sondern auch mit den Herstellern identifizieren können. Jeder könnte ein solches Motorrad im Laden kaufen. Auch die Chancen für den Fahrer, den Aufstieg in die MotoGP-WM doch noch zu schaffen, sind intakt. Die Dorna hat Dominic geholfen einen Platz im Fahrerlager zu finden. Sie sind interessiert daran, junge ambitionierte Rennfahrer in die Serie zu bekommen. Ich verstehe nicht, warum die meisten Nachwuchsfahrer meinen, die Spanische Moto2-Meisterschaft sei die einzige Möglichkeit, sich in die WM vorzuarbeiten.

Ich bin stolz auf meinen Sohn, er organisiert und finanziert sich selber – er hat keinen Mäzen. Ich selber habe meine Unterstützung für Dominic beim Eintritt in die Supersport-WM 2014 gestoppt, weil ich der Meinung bin, dass ein Fahrer, der es in die WM schafft, sich auch selber managen sollte. Dominic macht seinen Job hervorragend, er ist ein Multitalent – auch hinsichtlich Eigenvermarktung und Initiative.

15 Jahre habe ich ihn begleitet und aufgebaut. Heute gehe ich nicht mal mehr auf die Rennen, weil ich dort nicht von großem Nutzen für ihn bin. Angefangen mit dem Rennsport habe ich mit Dominic, weil ich etwas unternehmen wollte, was ich auch selbst gerne mache und weil ich ihn mit dem Sport auf das spätere Leben vorbereiten wollte. Ein Motorradrennfahrer hat viele Tugenden, allen voran Teamgeist, Wille, Zielstrebigkeit, Perfektion, Beharrlichkeit, Fairness und Ehrlichkeit.

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