3. Training Melbourne: Vettel vorne, Crash von Stroll
So langsam wird es ernst im Albert-Park: Beim dritten freien Training zum Australien-GP ging es in Melbourne darum, sich für die darauf folgende Qualifikation fit zu machen.
Der frühere Formel-1-Fahrer Paul di Resta lacht: «Es ist ein wenig wie wenn du in die Schule das Zeugnis bekommst – jetzt müssen die Rennställe anfangen, die Hosen runterzulassen. Wenn du Quali-Läufe simulierst, bringt ein Bluff nichts mehr. Die Fahrer müssen wissen, wie sich die Wagen mit fast leerem Tank anfühlen. Die Techniker wollen die echten Werte erfahren.»
Die Temperaturen hatten angezogen – 36 Grad Asphalt, 29 Grad Luft, und einige Spritzer Regen obendrein! In Melbourne kann das Wetter in Meeresnähe ziemlich unvermittelt ändern, aber die paar Regenwolken blieben zum Glück harmlos und zogen Richtung Innenstadt weiter.
Die Reaktionen zum Rückzieher von Sauber-Fahrer Pascal Wehrlein spalten das Fahrerlager. Die einen finden den Startverzicht vernünftig und ehrlich. Andere rümpfen die Nase und sagen: Ein wahrer Racer hätte sich durchgebissen. Ex-GP-Pilot Paul di Resta sagt: «Ich verstehe es nicht ganz, denn Barcelona ist körperlich viel anspruchsvoller als Melbourne. Hat er nicht dort schon geahnt, dass er nicht fahren kann? Warum dann überhaupt nach Australien fliegen?»
Bereits kursiert im Fahrerlager: Pascal Wehrlein werde auch in China nicht fahren und nur wenige Tage später in Bahrain auch nicht. Verschwörungstheoretiker verbreiten sogar: Es sei Ferrari sehr willkommen, dass der junge Antonio Giovinazzi Fahrpraxis erhalte, da komme der Trainingsrückstand von Wehrlein wie gerufen. Es wird noch wilder: Der Einsatz von Antonio werde mit einem Rabatt für die Ferrari-Motoren belohnt. Reaktion aus dem Umfeld von Sauber: Absoluter Quark.
Erstes Sorgenkind im ersten Training: Erneute Bremsprobleme am Haas von Romain Grosjean, die Mechaniker machten sich an die Arbeit.
Probleme nach zwölf Minuten für Ferrari-Star Kimi Räikkönen – der Weltmeister von 2007 stoppte entlang der Bahn. Sein Ingenieur David Greenwood funkte ihm ins Auto, er habe einen Platten links hinten. Kimi am Funk: «Wieso stellt mein Wagen einfach ab, wenn ich langsamer werde?» Greenwood: «Ich habe keine Ahnung, Kimi.» Der Finne liess mit elektrischer Energie den Motor wieder an und tuckerte zurück an die Box. Ärgerlich: Mit den ultraweichen Reifen hatte er im ersten Sektor der Bahn die beste Zwischenzeit erreicht.
Kurze Aufregung im Fahrerlager: Die australische Schauspielerin Nicole Kidman guckt sich die Formel 1 an, Oscar-Gewinnerin 2003 (für «The Hours»).
Reihenfolge nach einer halben Stunde: Vettel vor Hamilton, Bottas, Räikkönen, Ricciardo und Sainz. Doch am Toro Rosso von Carlos wurde die Batterie überprüft, der Madrilene verlor zehn Minuten.
Dann fuhr Kimi Räikkönen Bestzeit (eine Tausendstelsekunde vor Vettel), doch Vettel konterte: 1:23,380 min – neue Bestzeit im Albert-Park auf den ultraweichen Walzen.
Felipe Massa funkte zur Box: «Der Bremspedalweg wird immer länger, ihr müsst euch das anschauen.» Der Brasilianer war zu diesem Zeitpunkt dennoch eine Sekunde flotter unterwegs als sein 18jähriger Stallgefährte Lance Stroll. Paul di Resta: «Melbourne ist einer der härtesten Kurse für Bremsen. Das Letzte, was du hier willst, ist ein Auto, das nicht perfekt verzögert.»
Lewis Hamilton verpatzte den ersten Einsatz mit der weichsten Mischung: Fahrfehler im mittleren Pistensektor nach absoluter Bestzeit im ersten Pistenbereich.
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner: «Wir sind in Sachen Abstimmung noch nicht, wo wir sein wollen. Die Zeit von Sebastian Vettel im Ferrari ist sehr eindrucksvoll. Ferrari ist ohne Zweifel vor uns, Mercedes sowieso. Bei Mercedes ist es oft so, dass sie dann erst im Abschlusstraining die Power so richtig hochfahren. Also muss das Resultat im dritten freien Training nicht unbedingt richtungsweisend für die Quali sein.»
Paul di Resta: «Bei Red Bull Racing ist es so wie bei den Testfahrten in Spanien. An einem Tag schien das Handling des Autos von Ricciardo und Verstappen grandios zu sein, am nächsten war die Balance weg. Heute in Australien fällt auf, dass der Wind aufgefrischt hat. Vielleicht ist der RBR-Renner anfälliger auf Wind als ein Ferrari oder ein Mercedes.»
Lance Stroll im Williams fuhr persönliche Sektorbestzeit, dann wurden im Albert Park Circuit die roten Flaggen gezeigt: Der 18jährige Wiliams-Fahrer hatte die Mauer geküsst.
Problematisch für Williams: Der seitliche Einschlag kann die Lenkung beschädigt haben, die kaputte Aufhängung hinten rechts ist potenziell en Killer für das Getriebe, die Mechaniker haben vor dem Abschlusstraining viel Arbeit. Stroll war ausgangs Kurve 11 zu früh auf dem Gas, daher ging ihm die Strasse aus. Williams ist derzeit ein Einwagen-Team.
Kann Sebastian Vettel die Pole holen? 2016 war er im dritten freien Training sieben Mal der schnellste Mann, aber auf Pole stand er nie.
Formel-1-Champion Damon Hill: «Die Bestzeit von Sebastian ist ermutigend, aber ich bin nicht sicher, dass wir schon das Beste von Mercedes gesehen haben.»
Als das Auto von Stroll zurück bei Williams war, reichte ein Blick: Das Getriebe ist angeschlagen, daher Wechsel, daher fünf Ränge zurück in der Startaufstellung und möglicherweise letzter Startplatz.