Toto Wolff: «Keiner soll so eine Stallorder sehen»
Toto Wolff
Wird Sebastian Vettel 2017 im Ferrari zum lachenden Dritten? Wenn sich die Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton und Valtteri Bottas so lange Punkte wegnehmen, bis der Deutsche Dankeschön sagen kann?
Es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Bei Williams beharkten sich Mitte der 80er Jahre Nigel Mansell und Nelson Piquet. Alain Prost profitierte. Bei McLaren liess Teamchef Ron Dennis den Alphatieren Fernando Alonso und Lewis Hamilton 2007 so viel Freilauf, bis Kimi Räikkönen den Titel holte. Alles schon mal dagewesen.
In der WM-Zwischenwertung scheint bei Ferrari die Ausgangslage klar zu sein: Sebastian Vettel ist WM-Leader mit 86 Punkten, Kimi Räikkönen belegt mit 49 Zählern WM-Zwischenrang 4. Bei Mercedes ist die Situation schon kniffliger. Nach dem ersten GP-Sieg von Valtteri Bottas in Sotschi steht es zwischen den Silberpfeilfahrern Hamilton und Bottas nur noch 73:63 für den Engländer.
Klar wird besonders von den britischen Medien in den Raum gestellt: Mercedes müsse sich festlegen, um gegen Vettel am Ende nicht den Kürzeren zu ziehen. Es ist naheliegend, wen die Briten favorisiert sehen wollen.
Aber Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist das Thema Stallorder nicht ganz geheuer. Der Wiener sagt gegenüber dem deutschen Sportinformationsdienst: «Das Thema ist zurecht sehr kontrovers, niemand will so etwas wie früher sehen.»
Als Ferrari-Teamchef Jean Todt den aufsässigen Rubens Barrichello in Österreich 2001 zur Seite orderte, was mit einem handfesten Skandal endete. Legendär der Spruch des Franzosen vom Kommandostand: «Let Michael pass for the championship!»
Nein, so etwas will Wolff nicht, meint aber auch: «Ich glaube, dass es damals auch ein anderes Umfeld war. Heute ist alles transparenter. Deshalb wäre eine so brutale Stallorder nichts, was wir machen wollen oder machen würden.»
Stallorder in dieser Form nein, heftiger Gegenwind ja. Wolff gibt zu, die Situation habe sich komplett geändert: «Das neue Reglement hat alles auf null gestellt. Ferrari ist etwas aussergewöhnlich Gutes gelungen. Und nur Mercedes fährt jetzt auf Augenhöhe mit ihnen. Das ist der klare Beweis unserer Stärke als Team.»
Ferrari ist 2017 wirklich stark, in Sotschi musste Mercedes die erste Trainingsniederlage 2017 hinnehmen, die erste auch seit Monaco 2016, wo Daniel Ricciardo seinen Red Bull Racing-Renner auf die Pole stellte.
Ist das nur ein Ausreisser, oder beginnt hier eine Machtübernahme?
Toto Wolff vertieft: «Mir war klar, dass diese Frage früher oder später kommen würde. Wir hatten das Privileg, so viele Pole-Positions und Siege zu erringen. Ich wusste immer, dass das nicht endlos so weitergehen würde. Letztlich sind starke Gegner und die Aufgabe, sie zu bezwingen, Teil unserer Herausforderung namens Formel 1. Mein Schlüsselerlebnis ist noch immer, als ich in England aus einer Sitzung komme, in welcher es um den heissen Tanz mit Ferrari ging, und einer der Techniker sagte zu mir: "Ist das nicht aufregend?" Ferrari hat einen tollen Job gemacht. Nun liegt es an uns, das Puzzle so zusammenzusetzen, dass wir das Beste aus dem Wagen holen. Und wir müssen es schaffen, effizienter als Ferrari zu entwickeln, damit wir wieder die Leader-Position übernehmen. Leicht ist das nicht. Ferrari ist ein furchterregender Gegner. Sie haben ein gutes Auto gebaut, sie haben einen starken Motor.»