Toto Wolff über Lewis Hamilton: «Eine Beleidigung»
Toto Wolff
Toto, Roman Grosjean ist anhaltend der Meinung, Lewis Hamilton müsste für ein angebliche Blockade bestraft werden. Wie hast du diese Situation gesehen?
Es gibt halt Leute, die immer etwas zum Jammern haben. Sollen sie doch. Ich möchte das eigentlich gar nicht kommentieren. Aber wenn ich höre, dass er so etwas sagt, dann soll er sich mal seine eigene Geschichte anschauen – er soll froh sein, ist er überhaupt in der Formel 1.
Getriebeschaden bei Hamilton in Österreich, Getriebeschaden bei Bottas hier in England. Wie lange wird uns das Thema noch begleiten?
Wir geben auf allen Ebenen Gas und versuchen, selbst die kleinsten Vorteile zu gewinnen. Beim Getriebe sind wir einen Schritt zu weit gegangen, das hat im Baku-Rennen zu Schäden an beiden Getriebe geführt. Wir hatten die Hoffnung, dass die geringere Beschädigung im Auto von Valtteri dazu führt, dass seine Kraftübertragung vielleicht bis Budapest hält. Aber letztlich war uns das Risiko zu gross. Mit jenen Getriebe, die nun eingebaut sind, sollten wir auf der sicheren Seite sein. Ich gehe davon aus, dass wir damit keine Probleme mehr haben. Wir konnten in Baku von Glück reden, dass unsere Autos ins Ziel gekommen sind, weil wir uns dort dieses Schadens noch nicht bewusst waren. Es handelt sich nicht um eine Beschädigung nach Fremdeinwirkung von aussen, sondern es hat mit der Art und Weise zu tun, wie wir das Getriebe belasten.
Ihr wart vor einem Jahr hier überlegen, ihr seid es erneut. Aus den gleichen Gründen?
Ich kann es nicht sagen. Wir haben verschiedene Situationen erlebt, in welchen wir besser als erwartet abgeschnitten haben, es gab aber auch Qualifyings oder Rennen, von welchen wir uns mehr erwartet hatten. Wir hatten gehofft, dass wir hier gut aussehen würden. Aber wir hatten auch Bedenken, denn in der Vergangenheit haben wir es nicht immer geschafft, das Handling des Autos zwischen schnellen Bögen und in langsamen Kurven gut auszubalancieren. Auf eine schnelle Runde ist uns das hier gut gelungen. Nun muss sich zeigen, was wir im Rennen machen können. In Sachen Reifenverschleiss waren wir am Freitag nicht ganz zufrieden.
Wie erlebst du Lewis Hamilton an diesem Wochenende und nach der ganzen Kritik, als er nicht an der Formel-1-Veranstaltung in London teilgenommen hat?
Die Dynamik zwischen uns stimmt. Es gab einige Mist-Geschichten da draussen, wonach es zwischn Lewis und dem Team Spannungen gebe, weil er nicht in London war. Oder dass er sauer auf mich sei. Nichts davon ist wahr.
Wir haben uns Anfang der Woche darüber unterhalten, ob er nach London kommen soll. Nach fünf gemeinsamen Jahren kann ich sagen – mir ist am wichtigsten, dass er sich wohlfühlt, denn dann bringt er auf der Rennstrecke seine beste Leistung.
Ein dreifacher Weltmeister, der eben Ayrton Sennas Pole-Bestmarke übertroffen hat, der drauf und dran ist, Michael Schumachers Pole-Rekord zu egalisieren, der weiss wohl sehr genau, wie er sich am besten auf sein Heimrennen vorbereitet. Alles andere ist eine Beleidigung. Ich führe hier ein Team in der Art und Weise, dass ich ihm gewisse Freiheiten erlaube, damit er das Beste aus sich herausholt. Und wenn er sich von Rückschlägen in Baku und Österreich dadurch erholen will, dass er lieber mit seinen Freunden zusammen ist, dann hat er meinen Segen.
Ich war in London, ich habe gesehen, was passiert ist, ich habe gehört, wie die Fans reagiert haben. Wenn von 20.000 Leuten vor einer Bühen drei Buh rufen, dann ist das wirklich keine grosse Sache. Aber ich habe Verständnis. Wenn ich zu so einer Show gehe, und mein Superstar ist nicht da, dann bin ich auch enttäuscht.
Aber die Art und Weise, wie Lewis in gewissen Medien behandelt worden ist, ist falsch und unfair. Wie man den Lokalhelden nach wirklich schwierigen Rennwochenenden in Baku und in Österreich so behandeln kann, das verstehe ich nicht.
Und ich spüre hier in Silverstone auch nichts davon, dass es gegenüber Lewis Unmut gibt. Ich kenne jedenfalls keine andere Rennstrecke auf der Welt, wo die Fans bei besten Sektorzeiten vor Begeisterung aufbrüllen. Ich sitze tief in der Mercedes-Box. Aber ich konnte die Zuschauer selbst durch meine Kopfhörer applaudieren und jauchzen hören. Die Menschen hier lieben Hamilton. Aber wie jeder Superstar polarisiert Lewis auch.