Lewis Hamilton: Wieso er Max Verstappen bewundert
Lewis Hamilton mit Max Verstappen
Mit einem weiteren Sieg in Austin hat Lewis Hamilton den vierten WM-Titel so gut wie sichergestellt. Wie fühlt sich Hamilton eigentlich, gemessen am Titel 2008? Lewis: «2008 war ich doch noch ein Kind. Ich hatte das Talent, aber nicht das Wissen und die Routine. Wenn du 22 bist oder 32, dann bist du einfach ein anderer Mensch. Das war bei euch sicher auch nicht anders. Ich war ein Grünschnabel. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich einen Grossteil meiner Jugend auf der Kartpiste verbrachte. Ich finde die heutigen 17- oder 18-Jährigen jedenfalls reifer als ich es damals war. Und ich selber bin einfach nicht mehr der gleiche Rennfahrer wie früher. Du lernst immer dazu, und das ist bis heute so. Ich bin an meinen Aufgaben gewachsen.»
«Daniel Ricciardo ist dafür ebenfalls ein gutes Beispiel. Ich glaube, es ist fair zu sagen, dass er an seiner Aufgabe gewachsen ist, sich mit Max Verstappen messen zu müssen. Der Stallgefährte ist immer dein erster Gegner, für ihn wie für mich. Daniel ist ein super Fahrer und ein prima Kerl – es wäre ein Privileg, gegen ihn zu fahren. Aber Mercedes besitzt mit Valtteri einen hervorragenden Piloten, und meine Aussage in Sachen Ricciardo könnte auch für manch anderen Fahrer im Feld gelten, gegen die es irren Spass machen würde, als Stallgefährte anzutreten. Ich fahre gegen jeden. So lange das Positive für mich überwiegt. Harmonie ist in einem Team ganz wichtig. Das hat sich besonders 2017 bei uns gezeigt. Mit Valtteri Bottas an meiner Seite herrscht hier bei Mercedes eine ganz andere, viel positivere Atmosphäre.»
Die Bemerkungen über die Jugend schlagen für uns einen schönen Bogen zu Max Verstappen. Erkennt sich Lewis in einigen emotionalen Reaktionen des Niederländers wieder? Lewis: «Ich finde, für sein Alter hat Max das alles sehr gut im Griff. Ich bin sicher, wenn er 30 sein wird, dann geht er mit solchen Situationen anders um denn heute. Was ich an Max so toll finde – du spürst sein enormes inneres Feuer. Das ist wie ein hell scheinendes Licht. Er wird aus Fehlern lernen. Aber das schmälert sein herausragendes Talent für mich in keiner Weise.»
Wie will Hamilton den WM-Titel sicherstellen? «Der Platz ist mir nicht so wichtig», sagt der Engländer. «Wichtig ist, dass es passiert, und da schaut es nicht so schlecht aus. Aber es ist auch klar, dass es natürlich am schönsten ist, den Titel mit einem Sieg einzufahren. Ich fühle mich generell sehr bevorzugt, dass ich keinen Schaden hatte mit all meinen Motoren. Aber ich kann auch gar nicht genug betonen, wie sehr ich bei meinen Fahrten jeweils die Triebwerke geschont habe. Aber ich würde nie behaupten, dass ich vor Schäden gefeit bin.»
«Klar will ich den Sack hier zumachen. Aber ich will auch keine Erwartungen schüren. Denn das führt oft zu Enttäuschungen.»
Hand aufs Herz, denkt Lewis an Rücktritt? Hamilton: «Das wäre leicht für mich, aber es kommen in der Formel 1 einige sehr coole Dinge auf mich zu, so dass ich hier bleiben möchte. Das sind Dinge, die ich geplant habe, aber über die ich noch nicht sprechen kann. Was ich aber sagen kann: Mit 40 werde ich sicher nicht mehr im GP-Auto sitzen! Denn ich weiss, dass es keinen Weg zurück gibt. Ich kann mir also nicht vorstellen, zurückzutreten und später ein Comeback zu geben. Ich kann mir gut vorstellen, noch ein paar Jahre zu fahren.»
Lewis Hamilton wird in diesen Tagen von seinen Kollegen über den Klee gelobt. Der Brite meint: «Normalerweise gebe ich nicht zu viel darau, was Andere über mich sagen. Aber das Lob von Kollegen, die den gleichen Job ausüben wie ich, das ist mir wichtig. Und es freut mich sehr.»
Frage eines brasilianischen Kollegen: Hamilton hat den grossen Ayrton Senna in Sachen Pole-Positions überflügelt und bald auch in Sachen WM-Titel. Fühlt er sich daher als der bessere Fahrer?
Lewis: «Überhaupt nicht. Ayrton wurde viel zu früh aus dem Leben gerissen. Wenn er unter Bedingungen wie ich heute fahren könnte, hätte er viel mehr erreicht. Es würde mir nie in den Sinn kommen, mich für einen besseren Fahrer zu halten. Ich empfinde es schon als eine Ehre, im gleichen Satz genannt zu werden.»