Mick Schumacher, Ferrari: 8., Pole-Position geschenkt
Unter schwierigsten Bedingungen setzte Mick Schumacher am Freitag ein Ausrufezeichen: Startplatz 4 in der verregneten Qualifikation von Ungarn, damit Start aus der zweiten Reihe, eine prima Ausgangslage fürs Formel-2-Hauptrennen auf dem Hungaroring.
Der 20jährige Ferrari-Nachwuchspilot sagte: «Wir dürfen mit dem Abschlusstraining sehr zufrieden sein. Wir hatten im freien Training ein gutes Fundament gegossen, aber dann begann es zu regenen, und auf einmal war alles anders. Für mich war das eine Premiere, denn ich hatte in der Formel 2 noch nie ein Training auf nasser Bahn gefahren. Ich finde, wir haben diese Aufgabe sehr gut gelöst. Auch wenn ich auf der besten Runde ein wenig Verkehr hatte und der Abstand zur Spitze zu gross gewesen ist.»
Der Formel-3-Europameister von 2018 wusste: «Egal, welches Wetter beim Hauptrennen auf uns zukommt, wir sind gut aufgestellt.» Tatsächlich hatte sich der Regen verzogen, 22 Grad Lufttemperatur, 32 Grad Pistentemperatur, eine hohe, harmlose Bewölkung. Ein Problem für einige Fahrer: Sie rückten im Rennen erstmals mit dem weichen, rot markierten Pirelli aus, denn in der Quali waren sie mit Regenreifen gefahren und im freien Training nur mit der harten Mischung (gelb markiert). Niemand wusste also vor dem Start zum achten Hauptrennen der Saison, wie lange dir weichen Walzen halten würden. Gemäss Reglement darf erst nach sechs Runden gewechselt werden, gemäss Reglement auch müssen beide Mischungen im Rennen mindestens einmal verwendet werden. Nicky de Vries, Luca Ghiotto und Nicholas Latifi fuhren alle auf weich los, Mick Schumacher von Startplatz 4 ebenfalls.
Beim Start kam Nicholas Latifi hervorragend weg, der Kanadier schoss in der ersten Kurve vom dritten Startplatz in Führung, vor de Vries und Ghiotto. De Vries hatte in der ersten Kurve kurz ein Rad blockiert und war geradeaus gerutscht. Schumacher verteidigte seinen vierten Platz.
Luca Ghiotto monierte am Funk «massives Untersteuern». Wo war eigentlich GP3-Champion Anthoine Hubert? Der französische Renault-Schützling war auf den drittletzten Startplatz versetzt worden, weil das Arden-Team bei der Reifenverteilung zwischen ihm und Tatiana Calderón einen Fehler gemacht hatte. Nach drei Runden tauchte Hubert, mit viel Wut im Bauch, schon auf Rang 13 auf.
Zu Beginn der vierten Runde verrauchte der Motor des Westschweizers Louis Delétraz.
Latifi verteidigte die Führung souverän, nach fünf Runden lag er fast zwei Sekunden vor Tabellenführer Nicky de Vries. Mick Schumacher eine Sekunde hinter Ghiotto noch immer Vierter. Erster Fahrer auf der mittelharten Mischung: Jordan King auf Rang 10. Hubert schnappte sich seinen Landsmann Giuliano Alesi und rückte auf Rang 11 vor.
Ende der sechsten Runde kam de Vries für mittelharte Reifen an die Box. Der Niederländer fiel auf Rang 17 zurück. Die mittelharten Reifen am Wagen von Jordan King fingen an, sich zu bewähren – der Engländer rückte auf Platz 7 vor. Es wurde klar: Die weichen Walzen sind langsam am Ende.
Mick Schumacher holte sich Ende der siebten Runde mittelharte Reifen ab und fiel während dex Boxenstopps hinter Renault-Schützling Jack Aitken zurück.
Luca Ghiotto liess seine Reifen blockieren, es war klar, dass der Italiener ebenfalls an die Box kommen muss. Auch Latifi wurde vom DAMS-Kommandostand zum Reifenwechsel gebeten.
Nach einem sauberen Stopp für beide gingen Latifi und Ghiotto wieder auf die Bahn. Der Kanadier Latifi schaffte es, vor de Vries zu bleiben. Mick Schumacher machte sich über Ghiotto her, auf der Jagd nach seinem ersten Formel-2-Podestplatz. Die Reifen von Mick waren schon warm, jedes des Italieners noch nicht.
In der elften Runde lagen alles Fahrer vorne, die noch nicht angehalten hatten – Jordan King vor Anthoine Hubert, Juan Manuel Correa, Sean Gelael, Ralph Boschung, dann der erste Fahrer, der bereits gewechselt hatte, Nicholas Latifi, gefolgt von de Vries, Aitken, Ghiotto und Schumacher.
Die Spitzenpiloten arbeiteten sich durch die Nachzügler, King in Runde 15 noch immer vorne, sechs Sekunden vor Hubert, dann Latifi, ebenfalls um sechs Sekunden hinten, 2,5 Sekunden vor de Vries, gefolgt von Gelael, Correa, Aitken, Ghiotto und Schumacher auf Rang 9. King und Hubert wollten so lange als möglich draussen bleiben, um zum Schluss nach dem Wechsel auf die weichen Pirelli nochmals tüchtig anzugreifen.
Schumacher hielt sich auf Schlagdistanz von Aitken und Ghiotto, blieb aber dann am US-Amerikaner Correa hängen. In Runde 20 konnte der junge Deutsche endlich vorbeigehen, mit einem tollen Manöver in Kurve 1, aussen herum am Sauber-Nachwuchsfahrer Correa. Auch Honda-Junior Nobuharu Matsushita schlüpfte an Correa vorbei.
Jordan King erhielt zur Rennmitte die Anweisung per Funk: «Du musst mit diesen Reifen noch zehn Runden durchhalten.» Dann virtuelle Safety-Car-Phase, weil Arjun Maini seinen vom früheren GP-Pilten Adrian Campos eingesetzten Wagen ausrollen lassen musste. Die ungarischen Fachkräfte stellten beim Wegräumen des Maini-Rennwagens keinen neuen Weltrekord auf.
In Runde 23 erhielten die Piloten endlich wieder freie Bahn. Sofort attackierte Matsushita den Prema-Fahrer Schumacher und ging vorbei – Rang 8. Ex-GP-Pilot Karun Chandhok tadelte: «Da hat Mick ein wenig geschlafen.»
King führte noch immer, sein Abstand zu den Verfolgern bedeutete: Mit einem Stopp zu diesem Zeitpunkt würde er ungefähr auf Höhe von Schumacher wieder auf die Bahn kommen – mit dem Vorteil frischer Reifen.
Nicholas Latifi als Dritter hatte sich inzwischen in den Windschatten von Hubert vorgearbeitet, rund vier Sekunden vor de Vries, zu Beginn der 26. Runde war der Franzose fällig. Schnellster Mann auf der nun 42 Grad warmen Bahn – Matsushita, der im Rückspiegel von Aitken und Ghiotto immer grösser wurde. Schumacher blieb in der Nähe von Matsushita.
Am Ende der 27. Runde kam Leader King an die Box, zehn Runden vor Schluss des Rennens. Anthoine Hubert tat es ihm gleich. King kam nur als Neunter auf die Bahn zurück, hinter Callum Ilott.
Latifi damit wieder Leader, sieben Sekunden vor de Vries, Aitken sechs Sekudnen dahinter, dann Ghiotto, Matsushita, Schumacher, Sette Camara, Ilott und King.
Schumacher verlor den Anschluss an Matsushita nach einem kurzen Ausflug neben die Bahn, der Brasilianer Sérgio Sette Camara liess sich nicht zwei Mal bitten und ging an Schumacher vorbei.
Noch mehr Druck für Mick: Jordan King auf neuen Reifen ging an Callum Ilott vorbei und holte Schumacher mühelos ein, der mit abbauenden Reifen kämpfte. Der Engländer ging zu Beginn der 33. Runde mit Leichtigkeit vorbei. Schumacher damit nur noch Achter.
Grandioser Mehrkampf zwischen Ghiotto, Matsushita und Camara, die nur Zentimeter voneinander um den Kurs drifteten, sich aber genau so viel Platz liessen, dass es nicht zu einer Kollision kommt. Jordan King sagte Dankeschön und holte sich Matsushita.
Dann genau das, was King nicht wollte: Safety-Car, wegen Motorschadens von Ralph Boschung. Damit war der Sturmlauf des Briten zu Ende. Auf dem Öl von Boschung rutschte de Vries kurz neben die Bahn, der Niederländer büsste aber keinen Platz ein.
Und so endete dieses Rennen unter Gelb: Sieg für den Williams-Reservisten Nicholas Latifi vor Tabellenleader Nicky de Vries, Jack Aitken Dritter. Mick Schumacher als Achter auf der Pole-Position für das Sprintrennen vom Sonntag!
Latifi: «Das entscheidende Manöver war in Kurve 1 gegen Nicky, danach ging es nur noch ums Reifen-Management. Ich bin sehr froh, erstmals seit Spanien im Mai wieder gewonnen zu haben.»
De Vries meinte: «Ich bin ein wenig enttäuscht, das ist nicht optimal gelaufen.»
Latifi macht als Sieger zwar sieben Punkte auf de Vries gut, es steht 192 zu 164 für den Niederländer gegen den Kanadier.