Verdacht gegen Ferrari-Motor, FIA bleibt gelassen
Die Ferrari von Sebastian Vettel und Charles Leclerc
Die Experten beim Automobilverband FIA befassen sich derzeit mit dem Protest von Racing Point gegen Renault. Es geht um eine angeblich nicht reglementskonforme Bremskraftverteilung. Darüber hinaus haben andere Motorhersteller der FIA offenbar eine Anfrage darüber geschickt, wie Ferrari einen solch bärenstarken Motor bauen konnte. Sie hegen den Verdacht, dass die Italiener vielleicht beim Ladeluftkühler einen Trick zur Leistungssteigerung gefunden haben, der zumindest einiger Fragen würdig wäre.
Aber der Fall Renault ist nicht der Fall Ferrari. Bei Racing Point gegen die Franzosen reagiert die FIA auf einen Protest des Rennstalls aus Silverstone, nun muss darüber entschieden werden, ob die Renault wirklich etwas Unerlaubtes getan hat.
Bei Ferrari hingegen ist die FIA zu einer detaillierten Antwort nicht verpflichtet. Denn sie würde möglicherweise darlegen, mit welchem Kniff Ferrari arbeitet. Das wäre für Ferrari von Nachteil. Der Autoverband ist bei solchen Situationen der Ansicht: Wenn ein Gegner einen begründeten Verdacht hat, dann soll er bitteschön protestieren. Damit hält sich die FIA an den Kurs des langjährigen Rennleiters Charlie Whiting.
Ein Verdacht gegen Ferrari ist nicht neu. In Hockenheim 2018 war dazu Mercedes-Teamachef Toto Wolff die einfache Frage gestellt worden: Ist der Ferrari-Motor illegal?
Der Wiener stellte fest: «Ferrari hat einen tollen Motor. Was sie da auf den Geraden zeigen, da können wir gegenwärtig nicht mithalten. Wir müssen uns das anschauen und besser werden. Wir stellen uns dabei jedoch nicht die Frage, ob der Ferrari-Motor illegal ist. Wir zeigen nicht mit dem Finger auf andere Hersteller. Wir fragen uns vielmehr: Wie können wir selber etwas besser machen? Wir fragen uns: Haben wir etwas übersehen? Holen wir nicht alles aus dem Motor heraus? Wir haben eine Warnung erhalten. Wenn unsere Rivalen mehr Leistung aus einem Motor holen, dann müssen wir das auch können.»
Der im März 2019 völlig überraschend verstorbene Rennchef Charlie Whiting nahm damals wie folgt Stellung: «Wie wir in Monaco schon festgestellt haben, gibt es unsererseits keine Bedenken ins Sachen Legalität des Ferrari-Motors.» Auf die Frage, ob denn Mercedes Bedenken habe, meinte der Engländer: «Diese Gespräche sind privat. Sprecht mit Mercedes, und sie sagen es euch vielleicht. Aber was hinter verschlossenen Türen passiert, das sollte auch hinter verschlossenen Türen bleiben.»
Charlie Whiting Ende Mai 2018 gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: «Im Reglement steht, dass der Wettbewerber der FIA nachweisen muss – der Wagen ist zu jedem Zeitpunkt des Einsatzes reglementskonform. Das konnte Ferrari in Monaco tun.» Whiting gab freilich zu, dass in Baku gewisse Fragen aufgetaucht waren, welche die FIA von Ferrari beantwortet haben wollte. Es ging darum, dass Ferrari angeblich Mittel und Wege gefunden hatte, um kurzfristig mehr als die erlaubten 160 PS aus der Energierückgewinnung freisetzen konnte.
Whiting vermutet, ein Teil der Spekulation könnte dadurch entstanden sein, dass leitende Angestellte von Ferrari zu Mercedes gezogen sind. So wie Technikchef James Allison. Oder Motorenspezialist Lorenzo Sassi. «Die Angelegenheit wurde durch haltlose Spekulationen verschlimmert, die sich im Fahrerlager wie ein Steppenbrand verbreiteten. Wir haben anhand der Daten im Rahmen des Baku-GP Einiges erkannt, das uns als erklärungswürdig vorkam. In Spanien dann sind seitens Ferrari Massnahmen ergriffen worden, welche zu verständlicheren Antworten geführt haben.»
Zwischen den Zeilen lässt sich das deuten als: Ferrari wurde mit der Hand an oder in der Keksdose erwischt und angewiesen, das bitteschön sein zu lassen.
Auch FIA-Präsident Jean Todt ergriff damals das Wort: «Wer an der Legalität des Ferrari zweifelt, darf gerne protiestieren. Das wäre der saubere Weg – statt Medien zu manipulieren.»