Claire Williams: «Unser Kämpfergeist ist hellwach»
Der neue Williams ist präsentiert, und ein Schwarzmaler würde sagen: Wie will der Traditionsrennstall aus der Krise finden mit einem Auto, das auf der jämmerlichen Kiste von 2019 basiert? Doch Teamchefin Claire Williams beteuert – das ist machbar.
Die Engländerin sagt: «Dieses Auto steht für einen Neubeginn. Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, jene Bereiche zu beleuchten, wo wir 2019 geschwächelt haben. Wir haben sichergestellt, dass wir überall gut aufgestellt sind, um ein konkurrenzfähiges Auto auf die Räder zu stellen – die richtigen Leute in einer soliden Struktur, die korrekten Abläufe vor dem Hintergrund angemessener Ressourcen. Wir haben alle die Ärmel hochgekrempelt, um Williams wieder stark zu machen. 2020 geht es für uns zentral um Fortschritt. Unser Kämpfergeist ist hellwach. Wir wollen Williams wieder dahin führen, wo wir hingehören.»
Chefingenieur Adam Carter: «Das Design des Williams FW43 unterstreicht, wie sehr wir den Wagen in allen Belangen besser gemacht haben. Die Entscheidung, beim Basis-Konzept zu bleiben, bedeutet – unsere Fachkräfte konnten sich darauf konzentrieren, ihre Arbeit zu optimieren. Das zeigt sich sowohl in der Detailliebe als auch punkto Kompaktheit. Weil wir ein bestehendes Konzept weiterverfolgten, konnten wir die aerodynamische Entwicklung lückenlos fortsetzen.»
Ob dies der richtige Weg ist, um sich gegen ein starkes Mittelfeld aus McLaren, Renault, AlphaTauri, Racing Point, Alfa Romeo-Sauber und Hass durchzusetzen, wird sich zeigen.
Claire Williams fürchtet nichts mehr als eines Tages in die GP-Historie einzugehen als jene Frau, die das stolze Williams zu Fall brachte.
In die sportliche Misere mischen sich auch die üblichen Gerüchte über finanzielle Probleme. Formel-1-Insider wie Weltmeister Jacques Villeneuve haben den Eindruck – wir sehen eine Teamchefin, die sich gegen den Untergang stemmt. «Ich würde nicht weitermachen, wenn ich das nicht an den Weg zurück glauben würde. Auch alle im Team glauben daran, dass wir uns wieder nach vorne kämpfen können. Wir haben Fehler gemacht und sie eingesehen. Jetzt wollen wir uns aus diesen Schwierigkeiten hinausarbeiten.»
Es kam in der Vorbereitung auf die Saison 2019 ein Problem zum anderen, mit dem zwischenzeitlichen Negativ-Höhepunkt, dass das Auto für die Testfahrten in Barcelona im Winter erst mit Verspätung fertig wurde. «Wir wollten etwas Revolutionäres und Aggressives machen und haben es nicht hinbekommen», gibt Williams heute zu.
Es wurde damals in Katalonien viel gemunkelt, bis hin zum verblüffenden Gerücht, der Rennstall habe kurz vor einer ausgewachsenen Meuterei der Mitarbeiter gestanden. In Spanien nahm Claire Williams dazu Stellung: «Ich habe nicht besonders auf all diese Spekulationen geachtet, die über uns verbreitet werden. In einer solchen Situation ist es naheliegend, dass gemutmasst wird. Bei uns selber gibt es keine Schuldzuweisungen. Wir wollen keine Energie mit so etwas vergeuden. Jetzt ist vielmehr die Zeit, um noch näher zu rücken. Natürlich sind wir dabei, besser zu verstehen, wieso wir mit Verspätung beginnen mussten. Wir werden das ergründen und aus diesem Fehler lernen.»
Jeder Formel-1-Fan würde an dieser Stelle einwerfen: Aber woran lag’s denn nun? Versemmelter Crash-Test? Fehlerhaft konstruierte Bremsen? Säumige Lieferanten?
Claire Williams verperrte den Blick hinter die Kulissen wie die Formel-1-Teams, welche diese jämmerlichen spanischen Wände vor die offenen Boxen rollen: «Es handelt sich wahrscheinlich um eine Kombination von Dingen. Wir wollen da nicht ins Detail gehen. Wichtig ist, dass wir hier sind. Wir kennen die Hauptschuldigen, hm, nicht die Hauptschuldigen, das ist das falsche Wort, eher die Hauptgründe, warum es zu dieser Verzögerung gekommen ist. Aber wir wollen das nicht breittreten. Wir waschen schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit. Das wäre nicht angemessen.»
Um Williams wurde kolportiert, und das Team bestätigte oder dementierte das nicht: Der Grund für die Verzögerung seien Probleme mit dem Crash-Test des Chassis gewesen. Es habe Schwierigkeiten mit Lieferanten gegeben. Der Produktionsplan sei schlampig entworfen gewesen. Es wird im Fahrerlager der katalanischen Piste auch kolportiert – die Daten aus dem Windkanal seien erschreckend. Es wird erzählt, falsch entworfene Teile hätten beim Zusammenbau nicht gepasst und mussten neu produziert werden.
Technikchef und Teilhaber Paddy Lowe wurde noch vor dem Saisonbeginn 2019 beurlaubt, im Juni war die Trennung vollzogen. Seine Mitarbeiter konnten den letzten WM-Schlussrang nicht verhindern.
Das Problem ist natürlich auch hier ein finanzielles. Mit dem nötigen Kleingeld lassen sich Probleme in der Formel 1 schneller und effizienter lösen. «Wir haben keine unbegrenzten Ressourcen und können nicht einfach von allen Seiten Geld auf das Problem werfen. Wenn wir das Budget von Mercedes hätten, dann würden wir viel schneller da rauskommen.»
Williams hat in den vergangenen Jahren einige Sponsoren verloren, Martini etwa oder Rexona. Durch Millionärssohn Nicholas Latifi kann Claire Williams auftatmen, er ist die gleiche finanzielle Versicherung wie vor wenigen Jahren Familie Stroll. Es ist gewiss auch nicht dem Talent von Roy Nissany zu danken, dass der Israeli 2020 regelmässig im Williams sitzen wird.
Claire Williams verteidigt den Waagrechtstarter, der an drei Freitagtraining zum Einsatz kommen wird. «Wir sind ein Team, dass sich auf dem Weg zurück befindet und wir müssen Fahrer haben, die verstehen, was los ist. Es hat keinen Sinn, einen Fahrer ins Auto zu stecken, von dem man denkt, dass er keine gute Arbeit macht, vor allem wenn man sich in der Position befindet, in der wir uns befinden. Es ist klar, dass wir nur Fahrer nehmen werden, von denen wir wissen, dass sie verstehen können, was im Auto vor sich geht, damit wir das für die Entwicklung nutzen können, und Roy hat dies bewiesen.»
Claire Williams betont: Williams habe einen Plan, um sich aus dem Keller zu befreien. «Wir hoffen nicht einfach nur auf ein Wunder, dass wir plötzlich etwas Aussergewöhnliches finden. Das passiert in der Formel 1 nicht mehr. Doch für mich ist das Glas immer halbvoll. Ich glaube an meine Leute. Ich glaube an das Team. Wir brauchen nur etwas Zeit für alle Veränderungen, die wir einbringen wollen.»
Die Formel-1-Termine 2020
Präsentationen und Roll-outs
11. Februar: Ferrari (Reggio Emilia)
12. Februar: Renault (Paris)
12. Februar: Red Bull Racing-Honda (Silverstone)
13. Februar: McLaren (Woking)
14. Februar: AlphaTauri (Salzburg)
14. Februar: Mercedes (Silverstone)
17. Februar: Racing Point (Mondsee)
17. Februar: Williams (online)
19. Februar: Alfa Romeo Sauber (Barcelona)
19. Februar: Haas (Barcelona)
Wintertests
19.–21. Februar: Montmeló, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
26.–28. Februar: Montmeló, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
Rennen
15. März: Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
22. März: Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
5. April: Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
3. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC
7. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
5. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
2. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
6. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE
Ohne neuen Termin: Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH