Red Bull Racing 2017: Ein Blick hinter die Kulissen
Sieht ein wenig aus wie Star Wars, ist aber Red Bull Racing
Der 27. Februar ist im Kalender fett markiert. Dann beginnen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya die Wintertestfahrten 2017 – im Rennwagenwerk von Red Bull Racing bleibt also nur noch knapp einen Monat lang Vorbereitungszeit, dann wird das neue Modell RB13 enthüllt und ausprobiert. Eine aufregende Phase in Milton Keynes.
Vielleicht ist aufregend das falsche Wort. Geschäftig trifft es wohl besser. Die heutige Vorgehensweise beim Formel-1-Rennwagenbau besteht im Begriff «aggressiv auf den letzten Drücker». Die Fertigstellung eines neuen GP-Boliden wird bis zum Letzten ausgereizt, um die Entwicklungsphase so gut als möglich zu nutzen. Derweil ist die Fabrikation in fiebrige Tätigkeit verfallen, um alle Teile zum Gesamtkunstwerk Formel-1-Auto zu vereinen, gefolgt vom Anlassen des Triebwerks, immer ein spannender Moment, und dann ab mit dem neuen Juwel in den Renntransporter Richtung Katalonien.
Die Rennmannschaft liegt derweil nicht auf der faulen Haut: Sie steht in ständigem Kontakt mit der Design-Abteilung, um sich für den Aufbau und später die Wartung des Autos fit zu machen, sie baut die jüngste Boxeneinrichtung, sie übt Reifenwechsel, als gäbe es dafür WM-Punkte.
Der wahre Meilenstein ist jedoch, wenn der Fahrer mit dem neuen Wagen erstmals auf die Bahn geht. Jeder in einem Team freut sich darauf. Klar arbeiten alle auf das Ziel hin, dass der erste Test so reibungslos als möglich klappt. Bei lediglich acht Testtagen vor der Saison ist jede Minute wertvoll. Normalerweise verläuft der Einsatz des Fahrzeugs ohne grössere Schwierigkeiten, eben dank der seriösen Vorbereitung, aber es gibt einen Unterschied zwischen vorbereitet und rennbereit. Nicht nur das Auto wird auf Herz und Nieren geprüft, auch die Mannschaft selber muss sich für Australien in Form bringen. Und dabei gibt es einige Punkte zu beachten.
Barcelona ist nicht Melbourne
Wir würden das typische Winterklima von Milton Keynes nicht unbedingt als tropisch bezeichnen. Immerhin können die Jungs im Trockenen arbeiten. Das letzte Mal, als die Rennmannschaft an der Arbeit war, wurden draussen Spitzenwerte um 40 Grad im Schatten gemessen, und der Asphalt begann teilweise zu schmelzen. Barcelona wird anders sein.
Immer wieder ist zu hören: Die Teams würden deshalb in Spanien testen, weil es im Winter dort angenehm warm sei. Aber das stimmt nicht. Getestet wird in Barcelona in der Hoffnung, dass es dort weniger nass ist als in England. Der Wagen wird mit besonderen Heizkörpern auf Temperatur gebracht. Für den Mensch gilt es, Kappen, fingerlose Handschuhe und Thermo-Unterwäsche zu packen. Das gibt uns eine schöne Überleitung.
Alles mit dabei?
Wissenschaftliche Studien haben bewiesen: Drei Monate Schlaf im eigenen Bett führen zu einem milden Gedächtnisverlust – dem Team-Mitglied kommt scheinbar das Fachwissen abhanden, ein routinierter Weltenbummler zu sein, dem in Fleisch und Blut übergegangen ist, was er alles im Gepäck haben muss. Das führt zu einer zwanghaften Überkompensation: Beim ersten Test stopfen alle doppelt so viel Material ins Gepäck wie eigentlich vonnötigen wäre.
Bis Australien bleiben dann vierzehn der fünfzehn Reise-Adapterstecker zu Hause in der Schublade, ebenso das zweite Tablet und das besondere Nackenkissen sowieso.
Die Mängelliste
Klar ist die Formel 1 die Königsklasse und der Grand-Prix-Rennwagenbau einer der hochgestochensten Industriezweige der Welt. Auf der anderen Seite reden wir hier von Prototypen. Da sich vor dem Hintergrund der Testeinschränkung vom WM-Finale bis zum Wintertestbeginn kein Rad dreht, ist Barcelona der erste Moment der Wahrheit.
Um genau zu sein, ist ein Rennwagen nie perfekt. Noch weniger perfekt ist er, wenn die Wintertests beginnen. Nun sind schnelle Lösungen und praktisches Denken gefragt. Hier muss ein Millimeter der Karosserie abgeschliffen werden, um eine Abdeckung perfekt einzupassen, dort ist auch mal ein wenig handfesteres Zupacken vonnöten. Kabelbinder, ultrastarkes Klebeband und Leim gehören bei Wintertests zu den Hauptdarstellern.
Ihre Meinung, bitte
Dies hier geht weniger die Mechaniker etwas an, eher die Ingenieure und Designer. Bis zum ersten Wintertest in Barcelona ist das neue Auto vorwiegend eine intellektuelle Aufgabe, gut und weniger gut ergaben sich aus numerischen Werten. Aber dann kommt der Hintern eines Piloten in den Rennwagen, und der Pilot ist noch immer ein besserer Gradmesser als ein Simulationsprogramm. Obgleich nicht immer so einfach auszuquetschen.
Ach ja, die Anderen
Mit mehr Betonung auf die Aerodynamik ist es faszinierend zu erleben, zu welchen Lösungen die Anderen kommen. Hin und wieder kann es ein milder Schock sein, dass sich dies nicht alles ums eigene Team dreht. Monatelang ist ein Rennstall auf sich alleine konzentriert. Jeder redet dann vor den Tests davon, die eigene Arbeit im Mittelpunkt zu haben und weder rechts noch links zu gucken. In Wahrheit ist natürlich jeder total gespannt darauf zu sehen, was die Gegner so treiben.