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Zwei Stunden Grand Prix: Ist das Format zeitgemäss?

Von Mathias Brunner
Immer wieder ist in den letzten Jahren angeregt worden: Das GP-Format von maximal zwei Stunden Renndauer gehöre geändert – es sei nicht mehr zeitgemäss. Was dafür und was dagegen spricht.

Der Engländer Ross Brawn (62) ist von Formel-1-Grossaktionär Liberty Media angestellt worden, um die Entwicklung des Sports zu leiten, was Technik, Reglement und Format angeht. Was Brawn derzeit genau beobachtet: Die Aerodynamik der Rennwagen.

Der Brite, langjähriger Wegbegleiter von Michael Schumacher bei Benetton, Ferrari und Mercedes, weiss: «Die 2017er Autos haben ganz ausgeklügelte Formen, die überaus empfindliche Luftströmungen erzeugen. Das Ergebnis – der Hintermann hat seine liebe Mühe, weil er in verwirbelter Luft fährt. Also wollen wir letztlich ein Reglement, das den Speed dieser neuen Renner bewahrt, aber mit Autos, die weniger Luftwirbel erzeugen. Das ist mein Ziel. Ich bin überzeugt, dass sich hier etwas machen lässt.»

Es soll ein intelligenter Mittelweg gefunden werden: Dank des verstellbaren Heckflügels einfach so vorbeirauschen, das ist für den Zuschauer wenig prickelnd. Die Fahrer sollen sich ein Überholmanöver hart erarbeiten, wie zahlreiche Beispiele aus den ersten fünf Saisonrennen gezeigt haben, sind wir da auf gutem Weg.

Die meisten Experten im Fahrerlager halten Ross Brawn für den perfekten Mann in einer Rolle, die er selber so umreisst: «Ich bin ein Wilderer, der zum Wildhüter geworden ist.»

Der Engländer will wieder erleben, dass Mittelfeld-Teams den Top-Rennställen tüchtig auf die Nerven gehen. «Wir müssen mehr Ausgeglichenheit im Feld haben. Ich will eine Situation, dass Force India mit einem guten Fahrer an einem besonderen Tag ein Rennen gewinnen kann. So etwas muss für private Rennställe wieder möglich werden.»

Ross meint auch: «Das neue Reglement hat zu einigen eher unglücklichen Lösungen geführt wie diese Haiflossen oder die T-Flügel. Wir haben darüber hinaus eine Motorgeneration, die sehr teuer und komplex sind. Wir werden uns ansehen, welchen Motor wir für die Zukunft wollen, im Gespräch mit den Motorherstellern.»

Ferner hat Liberty Media die Weichen dazu gestellt, frühere GP-Piloten auf die Formel-1-Schauplätze zurückzubringen. In der Ära Ecclestone mussten selbst Grand-Prix-Sieger um die begehrten Karten ins Allerheiligste der Formel 1, ins Fahrerlager, förmlich betteln. Erbärmlich. Liberty Media hat allen früheren Piloten den Teppich ausgerollt mit der Nachricht: Kommt bitte zu den Rennen, lasst euch sehen, erfüllt dann aber auch euren Teil und stellt euch für Aktionen mit den Fans zur Verfügung. Jeder bekommt einen Gratis-Pass.

Auch die Rennställe erhalten viel mehr Karten für Sponsoren und Gäste, wie in Barcelona deutlich zu sehen war. Die Formel 1 soll offener werden.

Ebenfalls im Sinne von Liberty Media: Die Fahrer sollen nicht als Marionetten wahrgenommen werden, sondern als Athleten, die Ecken und Kanten haben dürfen. Lewis Hamilton etwa wäre nicht halb so populär, würde er nicht polarisieren. Die Piloten sollen sich selber sein dürfen. 

Ross Brawn soll offen für alles bleiben, dazu gehört auch – nicht zum ersten Mal – die Idee, dass die Rennen kürzer werden oder dass am Samstag ein Sprintrennen stattfindet.

Derzeit wird zwei Stunden gefahren, die Maximaldistanz beträgt gemäss Reglement 305 Kilometer. Eine Verkürzung wurde schon vor Jahren vom damaligen Renault-Teamchefs Flavio Briatore aufs Tapet gebracht: Ihm schwebte sogar eine Teilung in zwei Läufe vor.

Der italienische Manager hatte die Verbesserung der Show im Kopf. Das ist grundsätzlich lobenswert. Nur der Ansatz war falsch.

Viele glauben, der Generation Computerspiele Zugeständnisse machen zu müssen. Die Formel 1 hat in Sachen Zuschauer ein Nachwuchsproblem, das ist ein hausgemachtes Problem, weil sich die Mächtigen im Sport zu wenig um die Zuschauer scherten, um die jungen schon gar nicht, wie der Dornröschenschlaf in Sachen sozialer Netzwerke unter Bernie Ecclestone beweist.

Aber wenn Fussballfans teilweise fade Spiele 90 Minuten lang geduldig aushalten, wieso soll ein Grand Prix dann nicht zwei Stunden dauern dürfen?

Der bekennende Formel-1-Historikfan Sebastian Vettel sagt: «Ich bin Traditionalist, also halte ich von solchen Ideen nicht so viel. Ich finde, das würde etwas vom Spektakel Grand Prix wegnehmen.»

FIA-Präsident Jean Todt meinte auf eine entsprechende Frage: «Wir haben bis jetzt nichts gefunden, das uns besser vorkommen würde als das bisherige Format. Wenn wir etwas finden würden, von dem wir überzeugt wären, dass es wirklich ein Fortschritt ist, dann würden wir uns das sehr genau ansehen.»

Ross Brawn sperrt das Gespenst von kürzeren Grands Prix nun in den tiefsten Keller, wenn er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagt: «Ich mag das Erbe unseres Sports. Ich glaube 100 bis 105 Minuten sind eine gesunde Renndauer. Die meisten WM-Läufe sind ungefähr so lang. Ich höre natürlich auch, wie die Leute argumentieren, wir müssten die Rennen kürzen, weil die Aufmerksamkeitsspanne der Fans kürzer geworden sei. Aber ich möchte das anders anpacken. Ich möchte, dass die Formel 1 so attraktiv ist, dass die Leute am Bildschirm kleben bleiben. Es ist nicht die Dauer, die verringert werden muss. Es ist das Spektakel, das verbessert gehört.»

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