Pat Symonds: «Ayrton Senna wurde vergöttert»
Patrick Bruce Reith «Pat» Symonds ist mit seinen 65 Jahren ein Formel-1-Urgestein – zusammen mit Teambesitzer Ted Toleman stieg er anfangs der 80er Jahre von der Formel 2 in den Grand-Prix-Sport hoch, 1984 arbeitete er dort mit einem GP-Debütanten namens Ayrton Senna. Aus Toleman wurde Benetton, bei Benetton war Pat bei den ersten zwei WM-Titeln von Michael Schumacher dabei, 1994 und 1995. Aus Benetton wurde Renault, hier, nunmehr als leitender Ingenieur, betreute Symonds Fernando Alonso bei dessen beiden Titeln. Später wurde Symonds Technikchef bei Williams, heute ist er für die Formel 1 tätig.
Ich habe ihn eines Tages zum Gespräch gebeten. Mir gingen Fragen durch den Kopf wie: Wie geht ein Renningenieur mit Ausnahmekönnern wie Senna, Schumacher und Alonso um? Wie waren diese Ausnahmekönner in der täglichen Wechselbeziehung zwischen Rennfahrer und Renningenieur?
Pat Symonds holte ein wenig aus: «Ein guter Renningenieur sollte mit jedem Piloten arbeiten können, und vielleicht ist gerade dies eine der herausragenden Fähigkeiten eines überdurchschnittlichen Renningenieurs. Wie Ingenieur und Fahrer miteinander umgehen, das hat mich immer fasziniert, denn man sollte sich nahestehen ohne sich zu nahe zu kommen. Ich erkläre das: Du musst dem Piloten so nahe sein, dass du fast erahnen kannst, was der andere denkt. Als ich etwa mit Michael Schumacher gearbeitet habe, da erreichten wir dieses Niveau – ein Verständnis fast ohne Worte, es war beinahe wie Gedankenübertragung.»
«Aber, und das ist für einen Renningenieur ganz wichtig, du musst immer im Hinterkopf behalten, dass du für einen Rennstall arbeitest, nicht für einen Piloten. Der Fahrer ist nur ein weiterer Angestellter des Teams.»
«Ingenieure sind sehr logisch denkende Menschen, die alles in einer ganz bestimmten Weise und auf hohem Qualitätsniveau erledigt haben wollen. Also tendieren sie dazu, lieber mit Fahrern zu arbeiten, die ähnlich denken. Wenn du dann als Renningenieur auf einmal beispielsweise mit lateinischem Temperament umgehen musst, dann ist das nicht ganz einfach. Einige Piloten können schon schwierig sein. Aber ein guter Renningenieur ist anpassungsfähig.»
«Als ich mit Senna arbeitete, hatte er definitiv noch ein paar Defizite – bei der Fitness oder bei der Detailarbeit. Ayrton hatte wahrscheinlich mehr Talent als Michael. Und auch bei Fernando gab es noch ein paar Kleinigkeiten, die ausgebügelt werden mussten.»
«Was mich an Senna so fasziniert hat – wie er die Menschen in seinen Bann zog. Es war unglaublich. Jedes Land hat seine Rennfahrer-Helden, doch die Brasilianer sind speziell leidenschaftlich, und Senna war der ultimative Held für sie. Sie flippten regelrecht aus, wenn es um ihn ging.»
«Ich kann mich noch gut an das Rennen von 1994 erinnern, seinen letzten Heim-GP vor seinem tragischen Tod. Die Saison war noch jung, als wir nach Interlagos reisten, es war erst der zweite WM-Lauf des Jahres. Ayrton drehte sich von der Strecke – und die Tribünen leerten sich gleich darauf. Jeder ging einfach nach Hause! Die Fans waren nicht gekommen, um ein Rennen zu sehen, sie waren gekommen, um Senna zu erleben. Als er nicht mehr auf der Bahn war, interessierte es die Fans nicht mehr. Es war unglaublich, wie die Brasilianer ihn vergöttert haben.»