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Adrian Newey über Senna: Verantwortung, keine Schuld

Von Mathias Brunner
​Star-Designer Adrian Newey spricht offen über die Umstände, die zum tödlichen Unfall des Brasilianers geführt haben. «Ich muss mit einer Mitverantwortung leben, aber ich fühle keine Schuld.»

«Wie man ein Auto baut» ist ein hervorragendes, autobiographisches Buch des erfolgreichsten Formel-1-Technikers der letzten 25 Jahre, Adrian Newey. Darin gibt der 60jährige Engländer zu, dass er sich mitverantwortlich fühlt für den tödlichen Unfall der Rennlegende Ayrton Senna am 1. Mai 1994 in Imola. Damals stand Newey als Chefdesigner in Diensten von Williams.

Senna kam in Runde 7 des San-Marino-GP 1994 in Führung liegend von der Bahn ab, prallte in der Tamburello-Kurve gegen die Begrenzungsmauer und zog sich tödliche Kopfverletzungen zu. Der Unfall führte zu einem jahrelangen Rechtsverfahren in Italien. Im Zentrum der Ermittlungen standen Umbauten an der Lenksäule. Senna war mit der Position des Lenkrads nicht zufrieden gewesen, Williams baute um. Newey bestätigt im Buch, dass der Unfall zwar nicht auf einen Bruch der Lenkung zurückging, «aber die Umbauten hätten wir so nicht auf die Rennstrecke bringen dürfen».

«Was mich jedoch am meisten beschäftigt – wir haben die Aerodynamik dieses Autos nicht auf die Reihe bekommen. Ich habe den Wechsel vom Auto mit aktivem Fahrwerk zurück zu einer passiven Lösung verpfuscht, der Wagen war aerodynamisch instabil. Ayrton hat dann versucht, mit dem Auto Dinge zu tun, wozu der Wagen an sich gar nicht fähig war.»

«Ob er damals nun an seinem Wagen einen schleichenden Plattfuss hatte, welche Rolle es spielte, dass er in diesem Moment die schnellere, aber auch welligere Innenspur wählte, in einem aerodynamisch instabilen Auto. das alles hat zu einem schwierig zu bändigenden Renner geführt, selbst mit seinen überragenden Fähigkeiten. Ich spüre noch immer ein gewisses Mass an Mitverantwortung für Ayrtons Tod – aber keine Schuld.» Was ebenfalls zum Unfall beigetragen haben könnte: Fallender Reifendruck während der Safety-Car-Phase vor dem Crash.

Newey vertieft: «Nach zwei Jahren mit aktiver Aufhängung hatten wir mit dem Williams FW16 ein Problem. Ich hatte mich bei der Aerodynamik des Autos verrechnet. Das Fenster an Bodenfreiheit, in dem das Auto funktionierte, war zu klein», räumte er ein. Das sei bei einem Test in Nogaro offensichtlich geworden.

«Ich stand an der Strecke und habe unser Auto beobachtet. Es war wie Imola eine Strecke mit sehr vielen Bodenwellen. Mir wurde sofort klar, was das Problem unseres Autos war. Die Seitenkästen waren zu lang. Dadurch riss beim Eintauchen des Autos vorne der Luftstrom im Diffusor ab, weil das vordere Ende der Seitenkästen der Strecke zu nah kam. Aus heutiger Sicht hört sich das lächerlich an, aber wir hatten damals noch nicht die Werkzeuge, um das Problem vorher im Windkanal zu erkennen.»

Die Seitenkästen zu verkürzen, sei bis zum Rennen in Imola aus Zeitmangel nicht möglich gewesen, erklärte er. «Unser Auto stand bei allen drei Rennen auf der Pole-Position, aber das hatten wir ausschliesslich Ayrton zu verdanken. Kein anderer Fahrer hätte das mit diesem Auto geschafft.»

«Wir hatten dann in Imola Mühe, eine einigermassen akzeptable Bodenfreiheit zu definieren. Ayrton klagte über abwechselndes Untersteuern und Übersteuern.» Ausserdem hätte der Brasilianer an jenem Wochenende unter immensem Druck gestanden, denn «er kam zu Williams im Glauben, das beste Auto zu haben und stand immer noch mit null Punkten da».

Die italienische Untersuchungskommission hat die amateurhaft gearbeitete und gebrochene Lenksäule mit 99-prozentiger Sicherheit als Unfallursache bezeichnet. Newey nochmals: «Mit grösstmöglicher Wahrscheinlichkeit ist das Auto nicht wegen der gebrochenen Lenksäule von der Strasse abgekommen. Der rechte Hinterreifen hat vermutlich wegen Wrackteilen, die Senna überfahren hatte, Luft verloren. Wenn ich eine Unfallursache benennen müsste, dann diesen Plattfuss.»

Wie der Unfall letztlich genau passierte, wisse keiner, sagt Newey, «obwohl es vor Gericht immer wieder durchgekaut wurde. Aber Ayrton blieb noch für eine halbe Sekunde voll auf dem Gas, reduzierte dann auf 50 Prozent, um schliesslich ganz vom Gas zu gehen und zu bremsen. Die Logik sagt, dass er bei einem Lenkungsbruch sofort eine Vollbremsung eingeleitet hätte.»

Der britische Designer hält daher einen Plattfuss am Williams-Renault für die wahrscheinlichste Ursache des tödlichen Unfalls von Ayrton Senna 1994 in Imola.

Newey im britischen «Guardian»: «Mir fiel danach das wenige Haar aus, das ich bis dahin noch hatte. Es war eine verzehrende Zeit. Patrick Head und ich fragten uns, ob wir im GP-Sport bleiben sollten – in dem Menschen in den von uns konstruierten Fahrzeugen ums Leben kamen?»

Zur gegenwärtigen Formel 1 meint Newey: «Man hat nicht mehr dieses Gladiatoren-Gefühl, das man früher hatte.» Als Beispiel nennt Newey der GP-Ikone Ayrton Senna. «Man schaue sich nur die Onboard-Aufnahmen vom Monaco-GP von 1990 an. Du denkst dir: Wie um alles in der Welt kann er ein Auto so bewegen? Und du weisst, dass du das auch nie hinbekommen wirst.»

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