Damon Hill über Ferrari: Schnell, wenn’s nicht zählt
Damon Hill und Sebastian Vettel in Mexiko 2017
Im Winter wurde Ferrari zum WM-Favoriten erkoren, kein Auto lag auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya besser, kein Rennwagen war schneller. Und nun das: Vier Saisonläufe haben wir hinter uns, es hat keinen einzigen Sieg für Ferrari gegeben, stattdessen vier Doppelsiege für Mercedes-Benz – neuer Formel-1-Rekord zu Beginn einer Saison.
Auch Formel-1-Weltmeister Damon Hill hätte das nicht erwartet. Der Champion von 1996 (mit Williams) und heutige Formel-1-Experte der englischen Sky meint mit einer Prise Ironie: «Ferrari hat jetzt mehrfach grandiosen Speed bewiesen, aber leider nur dann, wenn’s nicht zählt. Mercedes hingegen zeigt grandiose Reife. Sie müssen niemandem zeigen, was sie können. Ich hatte mich vor der Baku-Quali mit Teamchef Toto Wolff unterhalten, und er äusserte sich eher pessimistisch, was die Mercedes-Chancen angeht. Aber die wissen genau, wo sie gegen Ferrari stehen und wie sie vorgehen müssen, wenn ihnen eine Chance gegeben wird.»
Und Chancen erhält Mercedes von Ferrari ständig. In Bahrain hätte Charles Leclerc siegen müssen, dann wurde er von einem Motordefekt gebremst. In Baku hätte der junge Monegasse auf Pole-Position stehen müssen, keiner konnte ihm in den freien Trainings das Wasser reichen, aber dann rutschte er in die Mauer – auf jenen mittelharten Reifen, in welchen der Ferrari-Kommandostand den genialen Trick fürs Rennen witterte. Sebastian Vettel war in Aserbaidschan ebenfalls schnell genug, um den besten Startplatz zu erkämpfen, zog aber freie Bahn dem Windschatten eines Gegners vor. Ein Fehler, wie sich zeigen sollte.
GP-Sieger Johnny Herbert: «Ich bin überaus beeindruckt, wie Mercedes jedes Mal die Leistung auf den Punkt bringt. Sie fahren beinahe perfekte Rennen. Sie nutzen jede Schwäche der Gegner gnadenlos aus. Wir reden jetzt seit Februar vom ach so schnellen Ferrari, aber irgendwie können die Italiener das Potenzial des Wagens nicht in Siege umsetzen.»
DTM-Meister Paul Di Resta: «Irgendwie werden wir den Eindruck nicht los – egal, was Mercedes macht, es funktioniert, und egal, was Ferrari probiert, es geht schief. Ich zweifle keinen Moment daran, dass Ferrari ein sehr schnelles Auto hat. Aber dieser Speed ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu erzeugen. Wenn der Wagen aus dem optimalen Betriebsfenster rutscht, mit den Reifen, in Sachen Aerodynamik oder bei der Mechanik, dann sind sie nicht konkurrenzfähig genug.»
Toto Wolff findet: «Ich glaube noch immer, dass Charles Leclerc am Baku-Wochenende der schnellste Mann auf der Bahn war, aber aus irgendwelchen Gründen fallen bei Ferrari die ganzen Puzzle-Teilchen nicht an ihren richtigen Platz. Vielleicht sagen die Leute: ‘Was redet der daher? Sein Team hat doch den vierten Doppelsieg in Folge eingefahren!’ Aber wir bleiben auf der Hut. Es gibt noch immer sehr viele Dinge, die wir bei der Arbeit mit unserem Auto besser verstehen müssen.»
«Unsere Siege sind zustande gekommen, weil das Team keine Fehler gemacht hat, weil alle strategischen Entscheidungen richtig waren, weil die Piloten makellos gefahren sind und weil unsere Gegner Schwierigkeiten hatten.»
Lewis Hamilton vergleicht das mit einem gut laufenden Motor: «Bei uns funktioniert alles wie geschmiert, die Maschine läuft gewissermassen auf allen Zylindern, bei der Konkurrenz hingegen nicht. Wenn sie ein fehlerfreies Wochenende schaffen, dann erhalten wir erheblich mehr Gegenwind.»