Ferrari-Teamchef Mattia Binotto: «Hässliche Schlappe»
Diese Szene strotzt vor symbolischer Kraft. Im Ferrari-Motorhome wartete die Medienschar auf Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Der Italiener kam angefedert und fragte draussen eine Mitarbeiterin: «Ist es kalt drin?» Dann zog er sich einen Pulli an. Das war einerseits nötig wegen der Air-Condition und einer eher frostigen Stimmung. Das war andererseits unnötig, weil die Fragen heiss genug werden würden.
Schon vor dem Gang vor die Presse hatte Binotto im italienischen Fernsehen nicht um den heissen Brei herumgeredet: «Das war eine hässliche Schlappe. Wir waren überzeugt, dass wir Mercedes näherkommen, aber das haben wir nicht geschafft. Wir verlassen Spanien erhobenen Hauptes und im Willen, es besser zu machen.»
Zurück zur Medienrunde. Auf meine Frage, wie er die Konkurrenzfähigkeit von Ferrari an diesem Wochenende einschätze und was er zu Boxenstoppschwierigkeiten mit beiden Rennwagen sagt, meint er: «Zunächst mal Kompliment an Mercedes. Sie arbeiten sehr hart und sehr gut, ihre Ergebnisse kommen nicht überraschend. Aber auch wir können gut und hart arbeiten. Diese Saison ist noch lang. Wir werden niemals aufgeben. Wir haben hier aus einem schwierigen Wochenende viel gelernt. Unsere Leistungsfähigkeit war enttäuschend. Wir wollten dank unserer Verbesserungen bei der Aerodynamik und am Motor mehr zeigen. Wir wollten an der Spitze mitmischen, das ist nicht passiert.»
«Die Verbesserungen haben sich bewährt. Die Motorleistung stimmt, auf den Geraden sind wir schnell genug. Aber unser Auto schwächelt in Bereichen, die an diesem Wochenende betont worden sind. Es liegt an uns, das besser zu verstehen und auszumerzen.»
«Was die Boxenstopps angeht, so gab es Probleme mit dem Radnabengewinde links hinten.»
Es ist offensichtlich, dass Ferrari in langsamen Kurven zu viel Zeit verliert. Mattia Binotto korrigiert: «Wir verlieren in allen Kurven Zeit, nicht nur im langsamen, letzten Sektor dieser Strecke. In den langsamen Ecken hat das Auto zu viel Untersteuern. Es geht hier nicht darum, einfach Abtrieb ans Auto zu packen, das Problem reicht tiefer. Es wäre überstürzt, heute zu einem Schluss zu kommen. Das braucht eine gründliche Analyse. Es geht hier um Balance, um Abtrieb, vielleicht sogar um konzeptionelle Fragen. Wir haben hier noch nicht die vollumfängliche Antwort.»
«Was uns heute daran gehindert hat, schneller zu fahren, das sind Grenzen, die uns schon bei den Rennen zuvor aufgezeigt worden sind. Wie lange es dauern wird, unsere Probleme in den Griff zu bekommen, das kann ich nicht sagen. Um solche Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen, musst du sie zunächst im Detail verstehen, dann erst kannst du sie anpacken.»
Der frühere Formel-1-Pilot Marc Surer hat im Gespräch mit SPEEDWEEK.com vermutet: «Ferrari hat ein konzeptionelles Problem. Wenn der Frontflügel die Luft aussen um die Vorderräder zwingt, dann ist das zur Versiegelung des Luftstroms an den Seitenkästen gut in schnellen und mittelschnellen Kurven, aber es scheint in langsamen Ecken nicht zu funktionieren. Die Aerodynamiker wollen die Wirkung des Unterbodens betonen, indem sie mit geschickt geführtem Luftfluss verhindern, dass Luft seitlich abfliesst. Du willst diese Luft möglichst nachhaltig unterm Auto behalten und zum Heck leiten. Fliesst die Luft seitlich ab, dann verlierst du Abtrieb.»
Frage daher an Mattia Binotto: Hat Ferrari ein Konzeptproblem? Und falls ja, wie dramatisch wäre das? Der Team- und Technikchef meint: «Ein Drama wäre das nicht. Aber wir müssen erst herausfinden, ob die Probleme etwas mit dem Konzept zu tun haben.»
Wieso hat Ferrari ein verbessertes Triebwerk auf eine Rennstrecke gebracht, die nicht als Motorenstrecke gilt? Binotto: «Diese Entscheidung haben wir nach dem WM-Auftakt in Australien getroffen, also vor recht langer Zeit. Dennoch war es eine Herkulesaufgabe, die jüngste Spezifikation von Kanada auf Spanien vorzuziehen. Um genau zu sein, haben wir die Homologation erst kurz vor der Reise nach Barcelona geschafft. In Melbourne wurde uns klar, dass wir in Sachen Leistung nachlegen müssen, also haben wir das Motorenprogramm intensiviert. Wir waren überzeugt, dass eine verbesserte Antriebseinheit auch in Spanien und Monaco hilft.»
Viele Fans befürchten: Wenn Ferrari im engen, letzten Pistenteil von Barcelona nicht konkurrenzfähig ist, dann wird das auch in Monte Carlo nichts. Aber Mattia Binotto ist überhaupt nicht dieser Ansicht: «Monaco ist etwas ganz Anderes als Barcelona – in der Art und Weise, wie du einen Rennwagen abstimmst, in Bezug auf die Reifenmischungen, bei der Mechanik. Klar brauchst du auf solch einem Strassenkurs viel Abtrieb. Aber wir haben nun zwei Testtage hier in Spanien, die für uns wichtig sein werden, und dann bin ich überzeugt, dass wir in Monaco eine starke Leistung zeigen können.»
Schlusswort von Mattia Binotto: «Diese WM ist noch lange nicht gelaufen.»