Formel 1: Ohrfeige für Gegner von Verstappen

Lewis Hamilton: Seine Abrechnung mit der Formel 1

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton

Lewis Hamilton

​Der Engländer Lewis Hamilton hat 2007 in Montreal seinen ersten Grand Prix gewonnen. Nach zwölf Jahren Formel 1 präsentiert der fünffache Champion seine Abrechnung: Vieles liegt im Argen.

Damit hatten die meisten GP-Berichterstatter nicht gerechnet. Als Weltmeister Lewis Hamilton auf die neue Formel 1 anno 2021 angesprochen wird, setzt der Engländer zu einem Monolog an, der zur Abrechnung wird – der 77fache Grand-Prix-Sieger redet sich von der Seele, was ihn an der Formel 1 alles stört, und das ist offenbar eine ziemliche Menge.

Lewis sagt: «Wenn ich auf meine zwölf Jahre Formel 1 und darüber hinaus zurückblicke, dann ist das Reglement immer wieder geändert worden – etwa um die Kosten zu senken oder um das Überholen zu erleichtern. Generell waren die Entscheidungen nicht besonders gut.»

«Inzwischen haben wir Liberty Media an der Macht, und sie kämpfen mit den gleichen Problemen wie die Führung zuvor: Die Fans sind nicht begeistert genug, wir haben diese Kluft zwischen den Top-Teams, die über viel Geld verfügen, und den Mittelfeld-Rennställen. Es geht eben um mehr als das Reglement für die Rennautos zu ändern.»

«Wir haben auch den Aspekt der Unterhaltung. Wir müssten uns vielleicht den Rennstrecken anpassen. Vielleicht sollten wir in Monaco, wo es fast unmöglich ist zu überholen, zwei Rennen fahren, keine Ahnung. Ich habe auch keine Antworten auf alle Fragen. Aber wir müssen gewisse Elemente wirklich unter die Lupe legen, den eines muss uns klar – wir sind hier, weil Rennfans unsere Show sehen wollen. Also müssen wir sicherstellen, dass sie happy sind. Hier in Montreal haben wir immer volle Hütte. Aber wir haben auch Rennen mit spärlich gefüllten Tribünen. Da muss man sich schon fragen, ob diese Grands Prix richtig beworben werden.»

«Viele Leute finden die Formel 1 fad. Aber es hat immer schon Phasen der Dominanz gegeben, von McLaren, von Ferrari, von Red Bull Racing, nun von Mercedes. Es liegt am Reglement, solche Vorherrschaft zu verhindern, aber wir müssen tiefer graben. Wir müssen in der Formel 1 mehr verändern als das technische Reglement.»

«Ginge es nach mir, hätten wir V12-Saugmotoren, manuelle Getriebe, keine Servolenkung mehr. Ich würde es für die Fahrer so schwer als möglich machen. Ich würde diese ganzen enormen Auslaufzonen verschwinden lassen. Ich möchte Rennwagen, aus welchen ich nach einem Rennen komplett erschöpft aussteige, so als hätte ich einen Marathon absolviert. Heute ist das so, dass ich glatt zwei oder gar drei Renndistanzen fahren könnte, kein Problem.»

«Die Formel 1 sollte ein Sport für echte Männer sein. Heute kommen diese jungen Burschen, und es fällt ihnen leicht, das Limit zu finden. So sollte es nicht sein. Es sollte irrsinnig schwierig sein, so schwierig, dass nur die Besten das schaffen. DAS wäre meine Formel 1.»

«Ach ja, und wir brauchen bessere Reifen.»

«Das alles ist bedauerlich, denn wir Piloten sind vereinter als je zuvor. Wir ziehen am gleichen Strang, die Kommunikation unter uns stimmt. Doch das Technikreglement wird von Leuten mit Macht und Geld gemacht, wir haben wenig mitzureden, wenn überhaupt etwas. Obschon wir allein wissen, wie es ist, da draussen zu fahren. Wir wissen, was geändert werden sollte. Wir bräuchten mehr Einfluss. Denn ich glaube, wir Fahrer hätten sehr viel Sinnvolles beizutragen.»

«Was mein eigenes Erbe angeht, so möchte ich etwas dazu beitragen, dass mehr Fahrer aus einfachen Verhältnissen es schaffen können. Wer ernsthaft Go-Kart-Sport betreiben will, muss viel zu viel bezahlen. Als wir anfingen, musste mein Vater im ersten Jahr 20.000 Pfund zahlen, das war für uns eine irre Summe. Aber wer heute profimässig Kart fährt, den kostet das mehrere 100.000. Das ist unfassbar viel Geld.»

«Ich will auch dazu beitragen, dass es künftig mehr Fachpersonal aus verschiedener Herkunft gibt – Techniker, Mechaniker, Medien, es muss für alle möglich sein, solche Karrieren zu machen. Ich finde den Gedanken schön, in zwanzig Jahren vielleicht sagen zu können: ‘Ich habe dazu beigetragen, dass sich hier etwas geändert hat.’»


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