Formel-1-Chef Chase Carey warnt: «Nichts überhasten!»
Formel-1-CEO Chase Carey
Die Formel 1 gibt viel zu reden: Wir haben 2019 sieben Mercedes-Siege in sieben Rennen erlebt; wie in jedem Sport schadet die Überlegenheit einer Mannschaft oder eines Athleten den Einschaltquoten. Und wenn es endlich mal Abwechslung gäbe, mit der Siegesfahrt von Ferrari-Star Sebastian Vettel in Kanada, dann wird dem Deutschen der Triumph in Form einer höchst umstrittenen Fünfsekundenstrafe vereitelt.
Diskussionsbedarf auch beim Reglement ab 2021. Von einschneidenden Neuheiten war die Rede, aber im Laufe der vergangenen Monate wurde klar: Das wird wohl eher Änderung light, viele mutige Entscheidungen sind längst verwässert worden, unter tüchtig Druck der Rennställe, die in eigener Sache lobbyieren. Formel-1-Mehrheitsbesitzer Liberty Media mit Chef Chase Carey als Speerspitze muss sich den Vorwurf gefallen lassen, zu zahnlos zu agieren oder sich von zu vielen Köchen den Brei verderben zu lassen. Motto: Ein Kamel ist ein Pferd, entworfen von einem Komitee.
Bei ServusTV hat Chase Carey Stellung bezogen zu aktuellen Themen, in der Sendung «Sport und Talk aus dem Hangar-7» stellte sich der 68jährige Manager den Fragen. Dabei zeigt sich einmal mehr: Der smarte Medienprofi bewegt sich auf dem glitschigen Parkett heikler Fragen leichtfüssig und mit US-amerikanischer Oberflächlichkeit.
Zum kommenden Reglement und jüngsten Gesprächen mit den Piloten, die sich mehr einbringen wollen, sagt Carey: «Es gibt immer viel zu tun, wir sind ein globaler Sport. Da müssen wir uns um sehr Vieles kümmern. In Paris geht es um die Zukunft des Sports, wie die Formel 1 aussehen soll, wie der Sport für die Fans mehr Dramatik bringen soll. Wir haben mit den Teams diskutiert, wir haben mit unserem Partner FIA gesprochen. Wir sind zum Schluss gekommen: Es ist sinnvoll, sich beim Reglement für 2021 und darüber hinaus mehr Zeit zu geben. Wir haben uns daher diese Zeit genommen, bis Oktober. Es ist besser, richtig zu handeln, als etwas zu überhasten.»
Wie sehen das Racer von Rang und Namen?
Die deutsche Rennlegende Hans-Joachim Stuck (68), ebenfalls zu Gast bei ServusTV, sagt über den Formel-1-Chef: «Carey darf sich von den Herstellern nicht verbiegen lassen. Und meiner Meinung zufolge bräuchten wir dringend vollamtliche sechs Rennkommissare.»
Red-Bull-Rennberater Dr. Helmut Marko (76) findet: «Ich würde mir einfach wünschen, dass in der Formel 1 der Fahrer im Mittelpunkt steht. Die besten Fahrer sollen beweisen, dass sie die besten sind. Das ist Rennsport, kein Hausfrauen-Kränzchen. Früher war es in einem Kiesbett vorbei. Der Fahrer muss zeigen, dass er etwas zusammenbringt, was keiner kann und was jeden Zuschauer zum Staunen bringt. Die Formel 1 ist auch körperlich zu einfach. Wenn man den Funk verbieten würde, hätten wir spannendere Rennen und die cleveren Fahrer könnten sich besser abheben. Wir fahren zum Glück in Monte Carlo und Singapur, wo es quasi null Auslauf gibt. Woanders entfernen sich die Zuschauer immer weiter von den Autos.»
Das sind Einwände, die Chase Carey oft hört, auch von vielen Fans. Und die Meinung der Formel-1-Freunde sind dem US-Amerikaner wichtig, wie er beteuert: «Die Fans sind der Grund, warum wir überhaupt Rennen fahren. Auf der anderen Seite brauchen wir die Expertise von Fachleuten, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Wir wollen den Sport schützen und das behalten, was den Sport grossgemacht hat. Wir müssen den Wettbewerb auf der Strecke verbessern. Wir wollen im Grunde, dass die Entscheidung auf der Piste fällt und dass die Rennen Dramatik bieten.»
Keine Heizdecken mehr, keine Funkverbindung, anderer Ablauf des GP-Wochenenden, das sind nur drei von vielen Vorschlägen, die auf dem Tisch liegen. Carey weiter: «Wir haben eine ganz Liste von Empfehlungen, von A bis Z, mehrere Seiten lang. Wir schätzen Anregungen, egal ob von Teams oder von den Fans. Welche Entscheidung wir letztlich umsetzen, ist noch unklar. Da sind viele Gedanken, die wir jetzt Punkt um Punkt durcharbeiten müssen. Und dann müssen wir festlegen, welchen Weg wir für den richtigen halten.»