Vorwürfe gegen Lewis Hamilton: Rassistische Untertöne
Lewis Hamilton und Rio Ferndinand in Singapur 2016
England hat im vergangenen März bei der EM-Qualifikation mit Montenegro kurzen Prozess gemacht – 5:1. Lewis Hamilton hat darauf getwittert: «Gratulation an England zum 5:1 in der vergangenen Nacht, ihr macht uns alle stolz. Was ihr euch habt anhören müssen, war verachtenswert, komplett inakzeptabel, in keinem Sport sollte Platz für so etwas sein.»
Was war passiert? Beim EM-Qualifikationsspiel in Podgorica (Montenegro) wurden drei dunkelhäutige Nationalspieler von England rassistisch beleidigt. Sie mussten sich von den vermeintlichen Fans Affenlaute und andere Schmähungen anhören. Raheem Sterling von Manchester City sagte anschliessend: «Ein paar Idioten haben einen tollen Abend ruiniert.» Er feierte seinen Treffer mit einer entsprechenden Geste: Er legte die Hände hinter die Ohren und lief so zur Fan-Tribüne der Hausherren.
Englands Trainer Gareth Southgate nach dem Skandal: «Meine Kinder denken keine Minute darüber nach, wo Menschen geboren sind oder welche Hautfarbe sie haben. Junge Menschen sind noch unschuldig. Um sie müssen wir uns kümmern. Sanktionen sind wertlos, wenn sie nicht von Erziehung begleitet werden.»
Im Fahrerlager von Bahrain ist Lewis Hamilton damals auf seinen Tweet angesprochen worden. Er vertiefte: «Es ist einfach verrückt, dass Rassismus in der heutigen Zeit noch so markant ist. Auf der ganzen Welt ist das nach wie vor ein Riesenthema, das finde ich traurig. Und mir scheint, beim Thema Rassismus ändert sich auch nichts. Daher ist es wichtig, dass die Leute sich für Mitmenschen starkmachen.»
«Auch wenn mir klar ist, dass ich über meine sozialen Kanäle zahlreiche Menschen erreichen kann – es gibt Vieles, das ich lieber nicht poste. Ich will da ein Gleichgewicht wahren, denn ich habe auch sehr viele junge Follower. Gleichzeitig haben wir in der Welt so viele Baustellen. Menschen mit Einfluss sollten ihre Macht dazu nutzen, solche Zusammenhänge zur Diskussion zu stellen, in der Hoffnung auf eine Veränderung zum Besseren.»
Lewis Hamilton kennt die Thematik: Vor der Saison 2008 verkleideten sich einige Dummköpfe bei den Wintertests in Spanien als Schwarze und trugen T-Shirts mit der Aufschrift «Hamiltons Familie», auch mit der einen oder anderen Banana wurde gewedelt. Fans mit geschwärzten Köpfen waren auch später im Mai im Rahmen des Grossen Preises von Spanien zu sehen.
Lewis Hamilton: «Wir sollten rassistischen Tendenzen entschlossener entgegenwirken.»
Im Rahmen des britischen Grand Prix ist Lewis Hamilton darauf angesprochen worden, wie die Mansell-Mania aus Anfang der 90er Jahre nicht das gleiche Feeling habe wie die Begeisterung der Briten für Lewis Hamilton in der Gegenwart. Der englische Journalist Ben Hunt: «Mir scheint, Hamilton tut sich schwer damit, die britische Öffentlichkeit zu begeistern, also Menschen, die nicht unbedingt Formel-1-Fans sind. Hamilton wird nicht so uneingeschränkt bewundert wie Mansell damals.»
Hamilton wirkte auf die Frage verdutzt. «Ich weiss nicht so recht. Generell hat jeder Mensch ein Recht darauf zu unterstützen, wen immer er will. Als ich als kleiner Bub in Stevenage aufgewachsen bin, da hätte ich nie gedacht, dass mir ausser Mum and Dad mehr Menschen zur Seite stehen. Ich fühle mich privilegiert, mich jemand unterstützt. Je mehr, desto besser. Je mehr Zeit ich hier verbringe, desto eher kann ich jemanden von mir überzeugen. Aber generell bin ich dankbar dafür, was ich habe.»
Den früheren Fussball-Star Rio Ferndinand hat die Richtung solcher Fragen verärgert. Der 40jährige Ex-Nationalspieler (81 Einsätze für England) fühlte sich zu einem Post auf Instagram genötigt, in dem er solchen Fragestellern rassistische Untertöne zuschiebt.
Der einstige Spieler von Manchester United hat geschrieben: «Die üblichen Fragen in der Art von ‘Aber Sie leben doch in Monaco. Ihr Akzent ist nicht richtig britisch. Und dann ihr Lebensstil mit all diesen Reisen und den Klamotten.’ Zunächst mal – Formel-1-Fahrer tendieren eben dazu, in Monaco zu wohnen, das schliesst unseren früheren Weltmeister Jenson Button ein. Wurde Jensons Qualität als Brite deswegen je in Frage gestellt? Keine Chance. Ich sage euch wieso – weil er ähnlich aussah, ähnlich klang, sich ähnlich kleidete und ähnlich herumging wie die Menschen, die Hamilton solche Fragen stellen.»
Natürlich wurde in der Folge Hamilton auf die Aussagen von Rio Ferdinand angesprochen. Der Mercedes-Star bleibt ganz Diplomat: «Das ist ein Weg, den ich nicht gehen möchte. Jeder Tag ist eine Gelegenheit, um zu glänzen und etwas Neues zu versuchen. Meine Mutter ist weiss, mein Vater ist schwarz. Ich habe das Beste beider Welten. Ich habe Unterstützung von Menschen aller Religionen, aller enthnischen Hintergründe, und ich kann hoffentlich eine kleine Rolle dabei spielen, die Menschen einander näher zu bringen.»
«Ich habe Fans, die sich bei einem Rennen kennengelernt haben. Ich habe Fans, die ihren Partner vor dem Rennwagen um seine Hand gebeten haben. Ich habe Menschen verschiedenster Gruppen aus ganz verschiedenen Städten, die als Hamilton-Fans durch die Grands Prix zueinander gefunden haben. Das wäre nie passiert, wenn sie sie mich nicht unterstützen würden. Und darauf bin ich wirklich stolz.»
Rio Ferdinand entstammt einer grossen Familie und ist Sohn von Janice, einer Frau irisch-englischer Herkunft, und dem im Karibikstaat St. Lucia geborenen Julian Ferdinand. Als Rio 14 Jahre alt war, trennten sich seine unverheirateten Eltern. Hamiltons Grosseltern väterlicherseits stammen von der Insel Grenada und wanderten in den 50er-Jahren nach Grossbritannien aus. Lewis’ Eltern, der schwarze Anthony und die weisse Carmen Larbalestier, trennten sich, als Hamilton zwei Jahre alt war. Lewis lebte bei seiner Mutter und den Halbschwestern, bis er zwölf Jahre alt war, dann zog er zu seinem Vater, Stiefmutter Linda und Halbbruder Nicholas, um seine Karriere als Rennfahrer zu verfolgen.