MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Marquez vs. Viñales: Ein Duell mit Konfliktpotenzial

Von Manuel Pecino
Die MotoGP-Experten erwarten ein hartes Duell zwischen Honda-Star Marc Márquez und Yamaha-Neuling Maverick Viñales. Die beiden Spanier verbindet eine langjährige Rivalität, die in diesem Jahr ihre Fortsetzung findet.

Vor etwa 15 Jahren schaute sich Sito Pons ein Minibike-Rennen an, um den Nachwuchs etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Der zweifache Weltmeister aus Spanien entdeckte dabei zwei sehr junge Fahrer, die klar vom Rest des Feldes herausstachen. Beide waren deutlich schneller als die Konkurrenz – und lieferten sich einen intensiven und spektakulären Zweikampf.

Das Duell der kleinen Kämpfer beeindruckte Pons derart, dass er sich nach dem Rennen aufmachte, um die beiden Talente zu treffen. Als er die Box des ersten Fahrers erreichte, fand er einen kleinen Jungen vor, der sich die Augen ausheulte. Ganz offensichtlich hatte er beim Zweikampf zuvor den Kürzeren gezogen. Der Profi versuchte den Nachwuchsfahrer zu trösten und beteuerte ihm, dass er ein gutes Rennen gezeigt habe.

Doch auch der Verweis auf die Tatsache, dass der Gegner mit einem 80-ccm-Bike angetreten war, während er selbst auf einer 65-ccm-Maschine kämpfte, war für den Knirps kein Trost. Denn bei diesem jungen Talent handelte es sich um den ehrgeizigen Maverick Viñales, der gerade eine bittere Niederlage gegen den 1,5 Jahre älteren Rennsieger Marc Márquez einstecken musste.

Diese Anekdote zeigt auf, wie viel hinter dem Duell der beiden heutigen MotoGP-Stars steckt, das wir nach den Wintertests in dieser Saison erwarten dürfen. Die beiden Ausnahmekönner aus Katalonien schlagen in diesem Jahr ein weiteres Kapitel in der Geschichte ihrer langjährigen Rivalität auf.

Unterschiedliche Karrierepfade

Die beiden Kontrahenten fanden aufgrund ihres unterschiedlichen Alters und Umfelds auf verschiedenen Pfaden den Weg in die WM. Als Emilio Alzamora ins Leben von Marc trat, sorgte er dafür, dass die Nachwuchshoffnung die nötige Unterstützung von Sponsoren bekam, um in den besten Teams mit dem besten Material anzutreten. Márquez durfte sich auf seinem Karriereweg auf professionelle Hilfe verlassen.

Sehr viel unberechenbarer gestaltete sich der Werdegang von Viñales, der sich seit seinem MotoGP-Einstieg im Jahr 2011 immer wieder an neue Teams und Manager gewöhnen musste. Der 22-Jährige hat in seinen bisherigen sechs Jahren in der Königsklasse der WM fünf verschiedene Brötchengeber und mindestens drei neue Manager erlebt, die sich um ihn gekümmert haben (wobei gesagt werden muss, dass die meisten davon diesen Job nicht sehr gut erledigt haben».

Die unterschiedlichen Karriere-Pfade sorgten dafür, dass sich die Protagonisten in sehr unterschiedlichen Situationen befanden. Als Márquez 2013 in die MotoGP aufstieg, tat er das mit dem Top-Team Repsol Honda. Maverick war zu diesem Zeitpunkt noch ein junger Moto3-Pilot.

Man stelle sich vor, wie schwierig es für ihn gewesen sein mag, den Hauptgegner seiner Jungend an der Spitze der Königsklasse zu sehen, während er noch am Anfang seines Aufstiegs stand – nichtsdestotrotz aber absolut davon überzeugt, den Honda-Werkspiloten schlagen zu können. Die Situation dürfte dem jungen Athleten eine Mischung aus Motivation und Frustration beschert haben.

Das Wiedersehen

Doch das alles gehört nun der Vergangenheit an. Seit Maverick vor zwei Jahren in die MotoGP eingestiegen ist, warteten alle darauf, dass sich die Wege der beiden Rivalen wieder kreuzen. «Maverick hat sich schon lange darauf vorbereitet», versichert Suzuki-Teammanager Davide Brivio, unter dessen Fittiche Viñales das Einmaleins der MotoGP erlernte. «Und Márquez erwartet ihn», fügt Brivio an. «Die beiden haben diese Konfrontation erwartet.»

Márquez macht denn auch kein Geheimnis daraus, dass er Viñales seit dessen Wechsel zu Yamaha als grössten Gegner im WM-Fight ansieht. Kein Wunder, schliesslich hat der Aufsteiger seit seiner Ankunft bei Yamaha für hochgezogene Augenbrauen bei der Konkurrenz gesorgt. Und in jedem Test hat er bewiesen, dass es ihm nur auf eines ankommt.

«Er will in diesem Jahr gewinnen, er wird also nicht rausfahren, um seine Gegner zu studieren», sagt Brivio, der lange versucht hat, Viñales zum Verbleib bei Suzuki zu überreden. Doch wie er schon einige Male in seiner Karriere bewiesen hat, schaut Maverick nicht zurück, wenn er eine Entscheidung gefällt hat.

Der Hoffnungsträger der Japaner weiss, dass er in den nächsten Jahren vor allem mit einem Gegner kämpfen wird, und das ist Márquez. Natürlich gibt es da auch Valentino Rossi, Jorge Lorenzo, Andrea Dovizioso und all die anderen Stars, doch für Viñales zählt vor allem ein Rivale, der eine, den er unbedingt schlagen will, und das ist Marc.

Marc Márquez ist bereit

Auf der anderen Seite des Rings erwartet Márquez auf seinen Langzeit-Gegenspieler. Und seit Maverick in der MotoGP mitmischt, hat der schnelle Honda-Pilot mehrmals klar gemacht, dass er nichts dem Zufall überlassen will. Geht ruhig davon aus, dass er Viñales starke Vorsaison-Leistung genau studiert hat. Für Márquez zählt nur der Sieg, man darf also davon ausgehen, dass er Viñales während der Tests genau beobachtet hat.

So sorgte er etwa in Phillip Island für Ärger, weil er während Viñales' Rennsimulation hinter dem 22-jährigen herfuhr, um dessen Fahrweise und Bike genauer zu studieren. Es war die erste Reaktion des Weltmeisters auf die Bestzeiten von Viñales. «Das darf man keine Sekunde anzweifeln!», kommentiert Angel Viladoms.

Der frühere Präsident des spanischen Verbandes kennt beide Rivalen seit sie im zarten Alter von sechs Jahren mit dem Motorradrennsport begonnen haben. «Wenn Marc in einer schwierigen Situation ist, dann beisst er die Zähne zusammen und greift an. Und ich kann euch versichern, dass er immer einen Weg findet, die Schwierigkeiten zu überwinden», schwärmt er.

Es geht nur um den Sieg

Ein Gespräch mit Viladoms sorgt für Aufklärung. «Beide teilen eine Charaktereigenschaft: Sie verfügen über einen grösseren Siegeswillen als der ganze Rest. Das beweisen sie seit ihrer Kindheit immer wieder. In dieser Hinsicht gleichen sie sich sehr. Ihre Herangehensweise unterscheidet sich etwa klar von jener der beiden Espargaró-Brüder.

Ein weiterer Mann, der Viñales gut kennt, ist Luis D'Antín. Der frühere GP-Pilot und Teambesitzer kennt Viñales, weil dieser für einen seiner lokalen Rennställe unterwegs war. «Er war schon im Alter von 12 oder 13 Jahren der Konkurrenz weit voraus. Er fuhr in einer eigenen Welt, obwohl er immer aus der letzten Startreihe startete und noch so klein war, dass jemand sein Bike halten musste. Trotzdem gewann er mit Leichtigkeit. Sein Talent war also immer da», erzählt der frühere Profi, der auch bestätigt, dass Viñales über einen grossen Ehrgeiz verfügte und extrem wütend werden konnte, wenn er nicht gewann.

«Marc und Maverick gehen davon aus, dass sich ihr ganzes Leben auf ein Ziel konzentriert, nämlich alles Nötige zu unternehmen, um zu gewinnen», ist auch Viladoms überzeugt. Doch trotz der gleichen Haltung verfügen sie über sehr unterschiedliche Charaktere. «Max ist immer unter Strom, während man sich bei Maverick manchmal fragt, ob er richtig wach ist.»

Eine Frage der Zeit

Wir alle wissen nach den Vorsaisontests, dass Maverick schnell und konstant ist. Der richtige Speed ist da, daran besteht kein Zweifel. «Als Fahrer besteht da noch Luft nach oben», ist Brivio überzeugt. «Man kann sagen, dass er in dieser Saison seinen grossen Abschluss machen wird. Man darf nicht vergessen, dass er noch nicht so viele enge Duelle in der MotoGP erlebt hat.»

Im Racing geht es tatsächlich nicht nur darum, schnell zu sein. Unter anderem kann auch die Fähigkeit entscheidend sein, den Gegner richtig einschätzen zu können. Rossi, Márquez, Lorenzo, Pedrosa und Dovizioso kennen sich gut. Nach den vielen Jahren, in denen sie nun schon gegeneinander antreten, kennen sie die Stärken und Schwächen des Gegenübers genau. Maverick muss das alles noch lernen – und die anderen müssen auch ihn erst kennenlernen.

Viñales' früherer Suzuki-Crewchief Manuel Cazeaux ist überzeugt, dass sein bisheriger Schützling aggressiver werden muss, vor allem, weil er gegen den aggressivsten und mutigsten Fahrer im Feld antritt. Und wie gesagt, Marc wird nicht tatenlos zusehen, wie der junge Wilde ihn entthront.

«Für Marc zählt nur der Sieg, alles andere ist eine Niederlage», bestätigt Márquez' Crewchief Santiago Hérnandez. «Es ist sehr schwierig, ihm zu erklären, dass es in einem Rennen auch mal schlauer sein kann, Zweiter oder Dritter zu werden. So etwas ist für ihn nur ganz schwer verständlich.»

Jedes Mal, wenn sich ein solch grosses Duell anbahnt, wird schnell der Vorwurf der Polemik laut. Nun, diesen Kritikern sei gesagt, dass die MotoGP nichts mit dem freundlichen Breitensport-Racing gemein hat. In der WM gewinnt einer, und der Rest des Feldes verliert. Und wenn es zu einem grossen Zweikampf zwischen zwei Fahrern wie Márquez und Viñales kommt, dann berichten wir natürlich darüber.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir den grossen Konflikt zwischen den beiden erleben werden. Der Fight wird wahrscheinlich nicht die gleichen Dimensionen wie das Duell zwischen Márquez und Rossi erreichen – denn Marc lernt schnell dazu – aber seid bereit für den grossen Zweikampf,

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