Formel 1: «Dumme Regel half Verstappen»

Luca Montezemolo: Warum GP-Fahrer weniger wert sind

Von Mathias Brunner
Luca Montezemolo

Luca Montezemolo

​Der frühere Ferrari-Präsident Luca Montezemolo spricht über die Bedeutung des modernen Grand-Prix-Piloten, die Übermacht von Mercedes-Benz und darüber, was sich in der modernen Formel 1 ändern muss.

Der Kopf ist ganz bei seiner neuen Aufgabe als Chef der Fluggesellschaft Alitalia, aber das Herz von Luca Montezemolo schlägt noch immer im Takt eines Rennmotors, und durch seine Blutbahnen fliesst das Rot von Ferrari. Der Spitzenmanager spricht im grossen Interview mit der Repubblica auch über die Gründe für die Überlegenheit von Mercedes-Benz, seit die Formel 1 Anfang 2014 in die neue Turbo-Ära getreten ist.

Luca Montezemolo sagt: «Niki Lauda hat mir vor kurzem verraten, dass Mercedes seit 2007 an Hybridtechnik arbeitete. Daher war es klar, dass Mercedes nicht nachgeben würde, als es darum ging, ob die Formel 1 den Schritt zu Hybridmotoren wagen sollte oder nicht. Für mich war das damals ein Fehler der Formel 1. Aber ich wollte mich nicht gegen diese Entwicklung stellen, denn das hätte so ausgesehen, als würde sich Ferrari vor dieser Technik fürchten. Ein Ferrari in Angst, das wäre nie mein Ferrari gewesen.»

Nun stehen wir vor dem vierten Jahr der neuen Turbo-Ära, gleichzeitig vor einer frisch gefönten Formel 1, mit fetten Reifen und geänderter Aerodynamik, mit Autos, die schon im Stillstand schnell aussehen sollen. Wir stehen auch am Anfang der Ära Liberty Media, die Herrschaft von Bernie Ecclestone ist zu Ende gegangen. Was muss sich gemäss Luca Montezemolo ändern?

Der Italiener antwortet: «Die Rennen müssen kürzer werden. Die Kommunikation gehört verbessert. Das Reglement muss vereinfacht werden und dann Bestand haben. Wir müssen das Konzept betonen, dass die Formel 1 ein Sport ist mit reicher Tradition auf historischen europäischen Rennstrecken. Fertig mit diesem Stuss wie Grands Prix in Korea oder Indien! Die USA? Okay, aber mit maximal zwei Läufen. Es muss sichergestellt werden, dass die Zuschauer in die Rennstadien strömen. Kein Sport kann überleben ohne Zuschauer.»

Den neuen Verantwortlichen für die sportliche Entwicklung, Ross Brawn, kennt Montezemolo aus vielen Jahren der Zusammenarbeit bei Ferrari. Als der Engländer ein Teil jenes Dream-Teams war, das mit Michael Schumacher fünf WM-Titel in Serie gewann, von 2000 bis 2004. Montezemolo über Brawn: «Vieles wird davon abhängen, was sie ihm zu tun geben. Er ist ein Techniker, der stets hervorragend vorbereitet ist. Ich sehe ihn gerne auf diesem Posten, wo er für das Reglement und die Technik verantwortlich ist. Er weiss alles über die Formel 1. Aber er muss auch klug eingesetzt werden. Sonst wäre das, als würdest du die Torhüterlegende Dino Zoff auf dem linken Flügel aufs Feld bringen.»

Libery Media will die Formel-1-Fahrer wieder als Helden positionieren, das findet die Zustimmung von Luca Montezemolo, wenn der 69-Jährige weiter ausführt: «Die Fahrer sind ein Kapitel für sich. Man sollte ihnen das wahre Wort zurückgeben. Ich habe bei Pressekonferenzen immer ein wenig den Eindruck, alles sei gestellt. Die Fahrer sagen alle das Gleiche, also nichts.»

«Im Übrigen ist ihr Wert gesunken. Enzo Ferrari hat einmal festgehalten, der Erfolg sei zur Hälfte dem Auto zu verdanken und zur anderen Hälfte dem Piloten. Heute würde ich sagen – 80 Prozent Auto, 20 Prozent Fahrer. Du könntest ein Superheld sein, dann kommt ein mittelmässiges Bürschchen und gewinnt dank seines überlegenen Rennwagens.»

Was erwartet Luca Montezemolo von der Saison 2017? Der Bologneser sagt: «Die Historie der Formel 1 hat gezeigt – jedes Mal, wenn es eine grössere Änderung im Reglement gegeben hat, dann wurden Überraschungen erzeugt. Ich bin gespannt auf die nächste.»

Zu seinem Nachfolger Sergio Marchionne als Steuermann von Ferrari sagt Montezemolo. «Sogar Marchionne, der ein intelligenter Mann ist, hat inzwischen verstanden – der Sport ist nicht wie die Börse. Gewisse Aussagen haben keinen Einfluss, höchstens negative. Also äussert er sich inzwischen ein wenig vorsichtiger. Ich sehe das als gutes Zeichen.»

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