FIA gegen Sebastian Vettel: Wer verliert das Gesicht?
Sebastian Vettel
Ein SPEEDWEEK.com-Leser hat es vor kurzem so formuliert: «Hat zu Vettel gegen Hamilton in Baku nun endlich jeder seinen Senf dazugegeben?» Antwort: Offenbar nicht. Während Fans und Fachleute anhaltend und kontrovers über die Kollision des Jahres debattieren, hat der Autoverband FIA eine Ermittlung bestätigt – am Montag, 3. Juli, ausgerechnet also am Geburtstag von Sebastian Vettel, wird in Paris darüber entschieden, ob gegen den hitzköpfigen Ferrari-Star weiter vorgegangen werden muss. Möglicherweise muss sich der 45fache GP-Sieger vor dem Sportgericht verantworten.
Ungeachtet dessen, was am Montag passiert, stellt sich die Frage: Wer verliert hier das Gesicht? Denn im Grunde hat sich die FIA mit der Ankündigung der weiteren Untersuchung keinen Gefallen getan, wie wir an den Lösungswegen bald erkennen.
Lösungsweg 1: Die FIA beschliesst am Montag – die Strafe einer Zehnsekunden-Stop-and-go in Aserbaidschan war genug, es gibt kein weiteres Verfahren. Das wäre zwar gut, weil sich der Verband dann nicht den Vorwurf anhören muss, den WM-Kampf zu beeinträchtigen.
Aber es dürfte auch Kritiker geben, die einwenden: Typisch FIA, wenn es hart auf hart geht, wird natürlich für Ferrari entschieden.
Keine weiteren Sanktionen würden die Fans anhaltend polarisieren. Schon heute sind die Meinungen geteilt. Fahrer wie Jenson Button oder Martin Brundle finden, Vettel sei schon bestraft genug, und es sei nun langsam gut. Ex-FIA-Chef Max Mosley hingegen hätte Sebastian von Anfang an vors Sporttribunal gezerrt.
Kommt Vettel vom Haken, wird FIA den Einwand zu hören bekommen, was die ganze Sache mit der Ermittlung solle, wenn ohnehin nichts unternommen werde. Aus FIA-Kreisen ist zu vernehmen: Wenn die FIA nicht durchgreift, könnte das den einen oder anderen Piloten dazu ermuntern, selbst auf der Piste für Recht und Ordnung zu sorgen.
Berechtigter Einwand vieler Fans in den sozialen Netzwerken: Was hätte die FIA eigentlich unternommen, wenn der ganze Baku-Knatsch zwischen Marcus Ericsson und Kevin Magnussen passiert wäre?
Lösungsweg 2: Die FIA beschliesst am Montag – Vettel muss vors Sportgericht und sich erklären. Was dann zum Schluss dieses Gerichtstermins passiert, ist völlig offen. Möglich, aber wenig wahrscheinlich ist ein Freispruch. Vielleicht begünstigt durch eine vollumfängliche Entschuldigung von Sebastian Vettel. In Baku hat der Heppenheimer jedoch nicht so gewirkt, als bereue er etwas.
Fraglich auch, welche neuen Erkenntnisse herauskommen sollen, welche die Schuldfrage verändern. Das Einzige, was in Baku fehlte, war eine Aussage von Sebastian Vettel vor den FIA-Regelhütern.
Damit sind wir beim heiklen Thema Strafmass.
Was viele Fans immer wieder als Vergleich heranziehen: Michael Schumacher gegen Jacques Villeneuve in Jerez 1997. Aber dieser Vergleich hinkt gewaltig. Denn damals ging des zwischen dem kanadischen Williams-Fahrer und dem deutschen Ferrari-Star beim Finale in Andalusien um den WM-Titel.
Schumi wurde damals komplett aus der WM-Tabelle gestrichen. So eine Strafe wird es dieses Mal nicht geben. Selbst eine nachträgliche Disqualifikation ist rechtlich fragwürdig, vor allem jedoch moralisch. Muss sich die FIA dann nicht den Vorwurf gefallen lassen, den WM-Verlauf zu beeinträchtigen, zu Gunsten von Hamilton? Würde ein solches Urteil von Augenmass zeugen? Das Gleiche gilt für einen Punktabzug oder gar für eine Sperre.
Eine Geldstrafe in jeder Form wäre nur lächerlich: Wir reden hier von einem Multi-Millionär, welcher Betrag würde da schmerzen?
Im Grunde kann es bei einem Schuldspruch nur ein Urteil geben, bei dem nicht alle als Verlierer dastehen: Eine Strafe, die auf Bewährung ausgesetzt ist und nur dann zur Anwendung kommt, wenn sich Sebastian Vettel noch mal eine solche Nummer leistet.
Dann muss ich die FIA nicht vorhalten lassen, in Untätigkeit zu verharren. Und dennoch wird das tolle Duell zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel nicht beeinträchtigt.
Was lehrt uns die Vergangenheit? Frühere Falle belegen: Wenn die FIA sich etwas nochmals anschaut, geht das für die Beteiligten selten glimpflich aus.
Sebastian Vettel ist nicht vom Haken. Seinen Geburtstag hat er sich wohl anders vorgestellt.