Jean Todt (FIA) zu Kostendeckel: Wegwerf-Gesellschaft
FIA-Chef Jean Todt will handeln
Wenn Renault nicht das frühere Lotus inhaliert hätte, gäbe es heute den Rennstall aus Enstone nicht mehr. Sauber schmirgelte haarscharf an der Insolvenz vorbei. So viel Glück hatten Caterham und Manor nicht – die beiden jungen Formel-1-Teams mussten aufgeben. Die Formel 1 ist eine Geldverbrennungsmaschine, und einige Teams haben das Messer am Hals – wie etwa Williams.
Die neue Formel-1-Führung unter Chase Carey sowie FIA-Chef Jean Todt wollen zum Wohle des Sports handeln. Konkret geht es um den Vorschlag einer Budgetobergrenze von 150 Millionen Dollar. Gemessen am heutigen Budget eines Top-Teams käme dies einer Verringerung um glatt die Hälfte gleich. Nicht in diesen 150 Millionen enthalten sind Fahrergehälter oder das Salär leitender Angstellter, auch das Marketing wird ausgeklammert.
Ein Kostendeckel, das gab es in der Formel 1 noch nie. Der frühere Formel-1-Pilot Marc Surer lobt: «Das ist der richtige Weg, denn allen muss klar sein – so kann es finanziell in der Formel 1 nicht weitergehen. Sonst hätten wir am Ende nur noch Werksteams, und wenn einige Hersteller entscheiden, dass die Formel 1 nicht mehr ins Marketing-Konzept passte oder sie wegen Erfolglosigkeit verschwänden, stünde der Sport vor einem echten Problem.»
«Die Realität ist: Ein Team wie Williams hängt am Tropf der Familie Stroll und der Sponsoren von Sergey Sirotkin. Ohne dieses Geld könnte Williams glatt zusperren. Wir brauchen aber unbedingt Privat-Teams in der Formel 1, denn nur mit Werksrennställen geht es nicht.»
Claire Williams, Tochter des legendären Teamgründers Sir Frank Williams, meint: «Wir brauchten eine Veränderung, und dieser Wechsel kommt. Einen Kostendeckel einzuführen, das wird Gewinner und Verlierer erzeugen, aber das ist bei jeder Veränderung so. Dies ist für ein privates Team wie Williams ein extrem guter Tag. Der Sport, wie er heute strukturiert ist, machte das Überleben extrem schwierig. Ich bin von den Vorschlägen von Liberty Media überaus angetan, ein Kostendeckel kann dem Sport nur gut tun.»
«Ich bin sicher, nicht alle werden glücklich sein über die ganzen Vorschläge. Aber da muss ich egotisch sein. Für mich steht im Mittelpunkt, dass unser Rennstall überleben und wieder gewinnen kann. Ich glaube daran, dass dies mit dem Vorschlag von Liberty Media begünstigt wird, also bin ich damit sehr zufrieden.»
Bei anderer Gelegenheit hat die 41jährige Engländerin klargemacht: «Ohne Kostendeckel wird das Überleben für uns ganz schwierig.»
Das gilt auch für Force India. Die beiden indischen Team-Eigner Subrata Roy und Vijay Mallya suchen seit längerem einen Käufer.
FIA-Chef Jean Todt sagt in einer Medienrunde am Circuit de Barcelona-Catalunya: «Die Schwierigkeiten der weniger grossen Teams machen mich betroffen. Wir arbeiten daran, mit einer faireren finanziellen Lösung mehr Chancengleichheit zu erzeugen. Das Knifflige dabei: Wir müssen einen Vorschlag ausarbeiten, von dem wir überzeugt sind, dass er allen zehn Rennställen hilft. Es kann einfach nicht sein, dass das halbe Feld von Geldsorgen gepeinigt wird.»
«Ein Kostendeckel wäre der beste Weg, aber die Umsetzung ist nicht einfach. Wenn ich höre, dass eine Radmutter 1500 Euro das Stück kostet und nach Gebrauch weggeworfen wird, dann besteht hier sicher Handlungsbedarf.»
Todt will, dass die Formel 1 wegkommt vom Denken der Wegwerf-Gesellschaft. Der Franzose ist überzeugt – in gewissen Belangen hat die Suche nach Perfektion längst groteste Züge angenommen. Im Zentrum von Todts Bestrebungen stehen die Punkte: Kosten senken, Unterhaltungsfaktor erhöhen.