Sebastian Vettel, Ferrari: Was ihn vor Baku-GP ärgert
Sebastian Vettel guckte sich nach der Quali die Silberpfeile an
Die Sonne ging langsam unter in Baku, und die ersten Journalistenkollegen meinten, nur halb im Scherz: «Wenn die so weitermachen, werden wir hier bald ein Qualifying in der Nacht haben.» Die Crashes von Robert Kubica und Charles Leclerc beim Nadelör am Eingang zur Passage entlang der alten Stadtmauer stellten die anderen Piloten vor schwierigste Aufgaben. Denn immer weiter fielen die Pistentemperaturen, immer schwieriger wurde es, den Reifen so etwas wie eine solide Haftwirkung einzureden.
Um die Frage einiger Leser zu beantworten: Hätte in Baku nicht mehr gefahren werden können, so wäre der Rest der Quali am Sonntagmorgen nachgeholt worden. Wir haben aufgrund miesen Wetters solche Verschiebungen schon ein paar Mal erlebt.
Letztlich ging alles gut, wenn auch die Sichtverhältnisse gewiss nicht optimal waren und die Haftung des Strassenkurses auch nicht. Sebastian Vettel über das verrückte Qualifying: «Wenn die Sonne verschwindet und sich die Piste so abkühlt, dann musst du laufend versuchen, dich den Pistenverhältnissen anzupassen. Einfach war das nicht. Daher fand ich zu Beginn keinen guten Rhythmus. Am besten lief es eigentlich ganz zum Schluss.»
Jetzt mal Hand aufs Herz. Denkt ein Racer wie Vettel bei einem Crash des Stallgefährten nicht «ein Gegner weniger»? Sebastian: «Nein, denn die Quali war ja noch in vollem Gange, und du versuchst immer, dich auf deine eigene Arbeit zu konzentrieren. Aber wir sind ein Team. Und unser Ziel bestand darin, hier beide Autos in der ersten Startreihe zu haben. Wenn ein Wagen ausfällt, ist das bitter. Am meisten geärgert hat sich gewiss Charles selber.»
Vettel fehlte zum Schluss jener Windschatten, der Bottas die Pole ermöglichte. Sebastian erklärt: «Das ist eine sehr knifflige Aufgabe. Du kannst ja nicht ständig auf Leute warten und die dann vorlassen in der Hoffnung, später einen Windschatten spendiert zu bekommen. Du musst dich darauf konzentrieren, die Reifen gut aufzuwärmen, gleichzeitig darf ein Gegner auch nicht zu nahe vor dir fahren, weil dich das im engen Teil der Bahn zu viel Zeit kosten würde. Ich fand: Ich kann es mir nicht leisten, das Aufwärmen der Reifen zu kompromittieren, in der Hoffnung, später von einem Windschatten zu profitieren.»
«Ich traf dann die Entscheidung, das Heft in die Hand zu nehmen und vorne zu fahren, um freie Bahn zu haben. Das hat drei oder vier Zehntelsekunden gekostet, aber die freie Bahn war mir in jenem Moment lieber. In den ersten beiden Sektoren hat sich das bezahlt gemacht, aber im dritten Pistenteil war ich ein wenig einsam.»
«Im Nachhinein ärgere ich mich darüber – ein Windschatten wäre mir doch lieber gewesen. Es scheint, dass wir uns mit den Reifen schwerer tun als Andere. Die veränderte Pistentemperatur führte zu einer veränderten Balance. Besonders schwierig: Wenn nach dem Fahren auf der langen Geraden die Vorderreifen auskühlen und du dann beim Anbremsen und in die ersten Kurven hinein Grip haben solltest.»
Vettel gibt sich vor dem Grossen Preis von Aserbaidschan rauflustig: «Wir müssen uns vor niemandem verstecken. Die Bedingungen im Abschlusstraining waren etwas merkwürdig, im Rennen werden die Verhältnisse konstanter sein. Und das macht unsere Aufgabe einfacher. Die Zeiten aus der Quali sind nicht die beste Grundlage, um daraus die Konkurrenzfähigkeit fürs Rennen hochzurechnen.»
«Zudem ist Baku eine Strecke, auf welcher du überholen kannst. Auch wenn du ein wenig weiter hinter losfährst, kannst du doch ein schönes Ergebnis einfahren. Wir wollen Mercedes am Sonntag ein wenig einheizen, dann sehen wir mal, was dabei herauskommt. Unser Auto ist schnell genug, um hier zu gewinnen.»
Die Taktik für den Renntag? Vettel schmunzelt: «Wir haben ja noch etwas Zeit, uns etwas Kluges zu überlegen. Aber auf den ersten Rängen ins Ziel fahren, wäre schon fein.»