Leclerc disqualifiziert? Binotto: «Wir sind ruhig»
Charles Leclerc und Mattia Binotto
Vor dem WM-Finale auf dem Yas Marina Circuit waren einige schlichte Zeilen von FIA-Techniker Jo Bauer pures Dynamit: Der Deutsche hatte bei einer Routineuntersuchung der Regelhüter festgestellt, dass die von Ferrari vor dem Grand Prix angegebene Spritmenge nicht übereinstimmt mit der Menge Kraftstoff, die aus dem Tank vom Wagen Charles Leclercs ausgepumpt wurde.
Bauer hatte keine Wahl und legte die Sache in die Hände der FIA-Rennkommissare Nish Shetty (Singapur), Dennis Dean (USA), Derek Warwick (England) und Mahir Badri (Vereinigte Arabische Emirate). Die kündigten sofort an: Darüber wird nach dem Rennen verhandelt.
Die Konkurrenz kochte. Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner: «Wenn da etwas nicht stimmt, dann kann es nur den Ausschluss geben.» Die Gegner argumentierten: Wenn der Wagen des Monegassen nicht den Regeln entspricht, wieso wird er dann überhaupt zum Grand Prix zugelassen?
Aber genau das war der Knackpunkt: In der Formel 1 gilt – bis zum Beweis der Schuld gilt sehr schwerem Verdacht zum Trotz die Unschuldsvermutung.
Die FIA hatte vor dem Rennen den Ferrari gewogen, dann den Sprit abgesaugt, den Renner noch einmal gewogen. Damit wird klar, wieviel Benzin im Tank ist. Maximal dürfen im Rennen nur 110 Kilogramm verbrannt werden. Aber natürlich tanken die Rennställe mehr, weil ja auch die Distanz zur Startaufstellung gefahren werden muss und ein Rest an Sprit übrigbleiben muss, um den FIA-Kommissaren die Entnahme von Spritproben zu erlauben. Also kommen zehn bis fünfzehn Kilo Sprit mehr in den Tank.
Nach dem Rennen wurde der Ferrari erneut geprüft, und eine Delegation der Italiener musste bei den Rennkommissaren antraben, unter Leitung von Teamchef Mattia Binotto.
Der Italiener vor dem Gang zu den Rennkommissaren: «Ich bin da ganz ruhig. So wie ich das verstehe, gibt es da einen kleinen Unterschied. Ich weiss, dass bei uns das übliche Prozedere eingehalten worden ist.»
Aber Jo Bauer sprach in seinem Bericht hingegen von einem «signifikanten Unterschied» zwischen der Menge, welche Ferrari der FIA gemeldet hatte, und jener Menge, welche im Tank gefunden worden war.
Christian Horner: «Für mich ist die Sache klar, das ist schwarz und weiss. Entweder ein Auto entspricht den Regeln oder eben nicht. Wenn die Rennkommissare ein Vergehen feststellen, dann kann es nur eine Folge geben – Ausschluss.»
Das Problem der FIA in diesem Fall: Die Untersuchung war 50 Minuten vor dem Rennen nicht in aller Gründlichkeit durchzuführen, und nur auf Verdacht konnte Leclerc nicht am Start gehindert werden.
Allerdings waren wir dann auch in der Situation: Wenn Leclerc im Rennen, sagen wir einen Gegner von der Bahn schubst, später sich aber herausstellt, dass der Ferrari nicht legal war, dann geht bei den Rivalen das grosse Geschrei los.