«Motorsport Manager» im Test: Wie gut das Spiel ist
Zunächst einmal Grundsätzliches für alle, die sich mit Computerspielen jetzt nicht so gut auskennen: Was ist Motorsport Manager? Der Spieler übernimmt die Rolle des Managers eines GP-Teams und hat zur Aufgabe, diesen Rennstall zum Erfolg zu führen. Zum einen mit der Entwicklung des entsprechenden Chassis und Evo-Teilen, dazu muss er sich auch um das Personal im Werk kümmern; zum anderen mit der Abwicklung eines kompletten GP-Wochenendes, inklusive freier Trainings für die Fahrzeugabstimmung, Qualifying und Rennen.
Was sich zunächst anhört wie ein paar Knöpfe drücken, den nächsten Sieg einfahren und dann genüsslich Schaumwein nippen, entpuppt sich bereits nach wenigen Minuten als strategische Mammutaufgabe.
Einfache Testberichte gibt es im Netz überall zu finden. Doch was kann die Faszination eines Spiels besser beschreiben als einer dieser Momente, wo sich Himmel und Hölle so nahe sind?
Die Scuderia Rossini macht Dampf
Wir schreiben das Jahr 2018. Es ist Spätsommer, und unsere «Scuderia Rossini» hat dank diverser Regeländerungen und guter Ingenieursarbeit endlich wieder das beste Chassis im Formel-1-Feld. Die Motor- und Bremsleistung allerdings ist immer noch nicht auf gleicher Höhe mit dem Stuttgarter Klassenprimus «Steinmann Motorsports». Und dieses Wochenende wird in Monza gefahren.
Wie sehr sehnen sich die Tiffosi nach einem Sieg des heimischen Teams! Wohl wissend, dass es die Scuderia gerade an den Eigenschaften mangelt, die einen Erfolg im altehrwürdigen Monza begünstigen würden.
Das freie Training läuft fast reibungslos und bei traumhaften Wetterbedingungen. Unser französischer Testfahrer und sein deutscher Stammfahrer-Kollege helfen uns mit ihrem Feedback, die Wagen nahezu perfekt einzustellen. Speziell bei der Verwendung der weichsten Mischung haben wir einiges an Erfahrung gesammelt.
Das rote Chassis mit dem Pferd geht dank guter Entwicklungsarbeit sehr sanft mit den Reifen um, der Erfahrungsgewinn mit den gelben Pneus wird sich hoffentlich positiv aufs Rennen auswirken.
Alles sieht nach einem grandiosen Wochenende für die Scuderia Rossini aus, wenngleich das Zeitentableau eine andere Sprache spricht. Vierter und 17. Platz für unsere beiden Fahrer im Training, aber die Zuschauer haben ja auch keine Ahnung, was wir wirklich geplant haben ...
Regen im Qualifying!
Auch der Samstagmorgen beginnt bei wunderbarem Wetter, aber das wird sich bald ändern. Unser in Ehren gealterter, eiskalter Finne übernimmt den voreingestellten Wagen und ist sehr angetan vom Set-up. Gerade als wir unseren ersten Einsatz planen, meldet sich der Meteorologe. «Regen naht und zwar bereits in drei bis vier Minuten, für den Rest des Trainings.»
Selbstverständlich werden sofort beide Wagen mit weichen Reifen auf die Bahn geschickt, um die restliche Zeit noch zu nutzen. Leider hatten wir diese Idee nicht alleine: Die Strecke fühlt sich an wie die A3 bei Leverkusen, Freitagabend im Berufsverkehr.
Glücklicherweise stecken nicht nur wir, sondern auch die direkten Gegner aus Stuttgart im Verkehr fest, und ein Franzose in französischem Fahrzeug führt die Zeitenliste an, bevor es anfängt zu regnen. Allerdings mit mässiger Zeit, die Quali hat ja eben erst begonnen.
Die bisherige Pole-Zeit sollte sich daher knacken lassen. Somit wird auf das richtige Zeitfenster gewartet, dann werden beide Fahrer zu einer heissen Runde auf noch halbwegs trockener Strecke geschickt. Klappt gar nicht so schlecht: Unser deutscher Pilot landet dank einer grandiosen Fahrt auf Platz 4, während sein finnischer Kollege auf Platz 6 starten darf. Hinter einem wohlbekannt hitzköpfigen Teenager aus den Niederlanden. Die Erzfeinde aus Stuttgart belegen die für sie mässigen Ränge 2 und 3.
Der Monza-GP: Grosses Kino
Das Rennen beginnt bei tollem Wetter mit zwei Paukenschlägen. Fahrer Nummer 1 gelingt es, bereits beim Start auf Platz 2 vorzurücken, während unser Finne mit dem Niederländer kollidiert und auf Platz 18 zurückfällt. Nach der ersten Schikane ist er sogar Letzter und hat einen beschädigten Frontflügel obendrein. Irgendwie fühlt sich unser Manager-Stuhl plötzlich heisser an als vorher.
«Iceman» wird bereits nach einer Runde an die Box geholt, sein Wagen repariert und mit harten Walzen zurück auf die Strecke geschickt. Ärgerlicherweise hält selbst die härteste Mischung nicht bis zum Ende des Rennens. Es sei denn, unser Fahrer schont die Reifen extrem. Folglich wird er genau dazu angewiesen.
Weiter vorne kämpft unsere deutsche Nummer 1 auf der weichen Mischung mit einem Franzosen um die Führung, zur Freude der Tifosi. Da er die Anweisung hat, sich weder um Reifen-, noch Benzinverbrauch zu scheren, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er sich den Franzosen zur Brust nimmt. Und bereits in Runde 4 jubelt die Masse – die Scuderia führt das Heimrennen an!
Was die Fans nicht wissen: Die aggressive Fahrweise hat Reifenverschleiss und Benzinverbrauch in kritische Bereiche verschoben. Somit erhält unser Fahrer die neue Order, nun doch bitte wie seine Grossmutter durch Norditalien zu kurven.
Dank des frühen und notgedrungen langen Boxenstopps hat unsere Nummer 2 die Möglichkeit, die Rennstrecke für sich alleine zu erkunden. Und das macht er gut. Seine Pace ist nahezu auf dem Niveau des Führenden und das mit dem härtesten Reifensatz. Wenn das so weitergeht, ist vielleicht noch ein Platz unter den besten Zehn drin.
Die nächsten knapp fünfzehn Runden verlaufen eher ereignislos. Einzig unser perfekter Boxenstopp an Position 1 ist erwähnenswert, der einen Undercut von Chapman im Stuttgarter Renner verhindert.
Der Engländer befindet sich allerdings nun auf Position 2, mit nur fünf Sekunden Rückstand, und holt mit weichen Reifen kräftig auf. Mit der mittelharten Mischung fehlt es uns an Trainingserfahrung, unsere Strategie basert auf einem weiteren, schnellen Rennsegment auf weichen Walzen im letzten Drittel des Grand Prix.
Bremsverschleiss kritisch, neuer Regen
Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Erst meldet Fahrer Nummer 1 Probleme mit den Bremsen. Und unsere Kritiker hatten Recht als sie sagten, dass wir bei der Entwicklung lieber mehr auf Zuverlässigkeit hätten setzen sollen als auf Speed. Die Daten zeigen: Die Bremsen sind kritisch. Pilot Wexler wird angewiesen, sein Tempo weiter zu drosseln.
Und als wäre das noch nicht genug, meldet sich der Wetterfrosch zurück. Für die letzten zehn Runden ist leichter Regen angesagt. Wahrscheinlich reichen Slicks.
«Iceman» hat sich derweil auf Platz 6 vorgearbeitet, allerdings lassen seine harten Reifen nun stark nach. Ungefähr vier Runden hat er noch, bevor die Pneus völlig einknicken. Von hinten besteht derzeit keine Gefahr. Gemäss der Ereignisse nach dem Start ist das ordentliche Schadensbegrenzung. Ein weiterer Boxenstopp würde, Stand jetzt, Platz 9 bedeuten.
Früher als erwartet beginnt es zu nieseln. Während Wexler sich freut, dass seine Bremsen auf diese Weise abkühlen, hat «Iceman» weiter mit abbauenden Reifen zu kämpfen. Das Untersteuern des Fahrzeugs ist deutlich sichtbar, und seine Sektorzeiten zwingen zum Handeln.
Da es in seinem Fall maximal zwei Punkte zu verlieren gibt, entscheiden wir uns für ein sehr waghalsiges Manöver. Trotz der eher geringen Menge erwarteten Regens holen wir ihn an die Box für einen Satz Intermediates. Bereits in der Outlap beschwert er sich, dass dafür nicht genug Wasser auf der Bahn sei. Für seine Verhältnisse mit einer Menge Worte, nicht alle davon sind höflich.
Währenddessen machen wir uns bereit, Wexler an die Box zu holen. Wir bauen auf die vor dem Rennen angedachte Taktik mit einem weiteren Satz weicher Reifen, so schlimm soll der Regen ja nicht werden. Platz 2 wäre somit noch möglich, vielleicht sogar ein Angriff auf Chapman kurz vor dem Fallen der karierten Flagge.
Unfall, Safety-Car!
Unvermittelt geben Wexlers Bremsen den Geist auf, der Unfall ist nicht zu vermeiden. Das Safety-Car wird auf die Bahn geschickt, obendrein ist der Regen erheblich stärker als vorhergesagt. Hat jemand eine Sitzheizung in unseren Stuhl eingebaut?
Sämtliche anderen Fahrer tauchen in der Safety-Car-Phase an die Box, um sich Intermediates abzuholen, und völlig unerwartet liegt unser Finne plötzlich auf Position 2! Und dies nach dem Debakel beim Start.
Sprit ist noch mehr als genug vorhanden, also Attacke! Chapman liegt lediglich neun Sekunden vor unserem Rossini, und es sind noch acht Runden zu fahren.
Nachdem unser ehemaliger Leader-Wagen von der Bahn geborgen ist, wird das Rennen sechs Runden vor Schluss wieder freigegeben. Da die Reifen unseres Finnen immer noch prima auf Temperatur sind, holt er schon in der ersten Runde nach dem Abbiegen des Safety-Cars 1,4 Sekunden auf. Unser Set-up scheint allgemein besser zu sein als das der Stuttgarter, somit ist unser Renner weiterhin rund eine Sekunde pro Runde schneller als jener des Führenden.
Ärgerlicherweise ist Aufschliessen das eine, Überholen etwas anderes. Mit einem Rückstand von lächerlichen 0,28 Sekunden werden wir Zweiter beim Heimrennen, die Tifosi sind milde enttäuscht.
Dennoch: Gemessen am Start ist das ziemlich überzeugende Arbeit. Allerdings eine Schande für unseren Nummer-1-Fahrer. Hätte er es bei diesen Bedingungen wirklich mit Slicks durchfahren können? Auf jeden Fall sollten wir im Werk die Zuverlässigkeit der Bremsen verbessern und zwar pronto.
Blöderweise erfordert die nächste Strecke im WM-Programm einen Fokus auf ganz andere Bauteile. Und zu allem Überfluss haben wir nahezu sämtliche finanziellen Möglichkeiten dieses Jahr für die Entwicklung bereits ausgeschöpft. Unsere Sorgen werden nicht geringer.
Der Dramen nicht genug.
Bei der Überprüfung der Fahrzeuge nach dem Rennen stellt sich heraus, dass Chapman mit einem illegalen Teil unterwegs war und dafür eine Zeitstrafe erhält, die ihn um vier Ränge zurückwirft.
Somit haben wir am grünen Tisch den Heim-GP gewonnen! Leider waren die Fans schon auf dem Weg nach Hause, als die Meldung veröffentlicht wurde.
Auch wir hätten die Möglichkeit gehabt, Teile einzusetzen, die sich über den Rand der Legalität hinauslehnen. Glücklicherweise haben wir beim Heimauftritt keinen Gebrauch davon gemacht.
Fazit: Toller Spielspass, ungewisser Ausgang
«Ist der Erfolg im Spiel somit programmiert?» wird an diesem Punkt der eine oder andere fragen. Nein, ganz im Gegenteil. Es könnte und hätte in meinem Beispielrennen für die SPEEDWEEK.com-Leser ganz anders enden können. Es gibt diverse Rennwochenenden mit komplett unterschiedlichem Ausgang. Für mich unvergessen bleibt China 2017, wo ich im Rennen eine Doppelführung meiner Piloten durch vermurkste Boxenstopps hergegeben und am Ende nicht mal einen Punkt gewonnen habe.
Ich spiele nun seit rund 25 Jahren am Computer, da bin ich als Gamer nicht so schnell zu begeistern. «Motorsport Manager» ist in meinen Augen jedoch so gut gelungen, dass das Spielen enormen Spass macht.
Ohne Wermutstropfen geht es nicht, selbstverständlich hat auch diese Software mit einigen Schwächen zu kämpfen. Zu viel Verkehr im Qualifying, Piloten, die trotz blauer Flaggen nicht zur Seite gehen, wir würden am liebsten «Come on! Blue flags, blue flags! This is ridiculous!» brüllen oder so.
Eine teils unnötig komplizierte Menüführung ist anzukreiden. Es gibt auch keinen Editor, um die fiktiven Team- und Fahrernamen umzubenennen und noch ein paar weitere Kleinigkeiten mehr. Auf der anderen Seite läuft das Spiel selbst auf älteren Geräten akzeptabel.
Fazit: «Motorsport Manager» ist trotz kleiner Schwächen deshalb grandios, weil das Spiel die Faszination Motorsport vom Kommandostand nahezu perfekt vermittelt. Und deshalb, weil der Spieler für einmal eben nicht selber ins Lenkrad greift.
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