Lance Stroll bei Force India: Kein Williams-Dementi
Otmar Szafnauer und Claire Williams
Fährt der junge Kanadier Lance Stroll schon in einer Woche einen Force-India-Renner? Wenn es nach seinem Vater Lawrence Stroll geht, dann wird das passieren. Papa Stroll war treibende Kraft hinter der Übernahme von Force India. Es wäre völlig logisch, wenn er möglichst bald seinen Sprössling in einem besseren Auto als dem Williams sehen wird. Vielleicht schon in Monza. Was sagt die stellvertretende Teamchefin Claire Williams?
Die Tochter von Firmengründer meint: «Grundsätzlich ist dies eine gute Geschichte, weil 400 Angestellte ihren Job behalten haben und weil das Team in der Formel 1 bleibt. Wir teilten die Sorgen, als wir gehört haben, dass das Team unter Gläubigerschutz gestellt wird. Für uns die unmittelbarste Auswirkung – Lawrence ist nicht so oft in unserem Motorhome anzutreffen wie sonst, sondern verbringt sehr viel Zeit bei Force India.»
«Abgesehen davon verläuft das Tagesgeschäft normal. Lance hat einen Vertrag bis Ende 2018 unterzeichnet. Aber in der Formel 1 gibt es viele Drehungen und Wendungen. Schaut euch nur an, was in den vergangenen zwei Wochen alles vorgefallen ist. Also gucken wir mal, was die kommenden zwei Wochen bringen. Im Moment hat Stroll bei uns einen Vertrag, und wenn wir mehr Informationen haben, dann werden wir das mit euch teilen.»
Ein Dementi klingt anders. Die Antwort der Briten klingt eher danach, dass Claire Williams selber nicht weiss, ob Stroll in Italien noch für ihr Team fährt oder nicht. Wie Vater Stroll seinen Sohn aus dem Williams-Abkommen sprengen will, hängt von Ausstiegsklauseln ab. Williams äussert sich grundsätzlich nicht zu Verträgen. Es ist aber branchenüblich für Rennfahrer und auch ihre Arbeitgeber, gewisse gegenseitige Leistungsklauseln in Verträge einzubauen. Durchaus denkbar, dass Williams bestimmte Ziele als WM-Letzter nicht erreicht hat – und diese verpassten Ziele die Hintertür für Familie Stroll wäre Richtung Force India.
Force-India-Teamchef Otmar Szafnauer meint zu den Piloten: «Derzeit fahren wir mit den bekannten beiden Fahrern. Eine Veränderung würde die Zustimmung vieler Seiten bedingen, aber unmöglich ist das nicht.»
Der in Rumänien geborene US-Amerikaner Szafnauer über die letzten Wochen: «Klar war es stressig, aber anstrengender war das Ganze für den Administrator, der für Force India die beste Lösung suchen musste. Ich war damit beschäftigt, das Team informiert zu halten über die jüngsten Entwicklungen. Ein Team in Gläubigerschutz zu schicken, das passiert in der Formel 1 nicht alle Tage. Klar gab es da im Rennstall gewisse Ängste, und ich wollte alle so transparent wie möglich informieren, was vor sich geht.»
«Zunächst war nur davon die Rede, dass es neue Inhaber geben würde. Dann aber wurde klar, dass wir eine neue Nennung brauchen, und dies auf die Schnelle umzusetzen, das war ein gewaltiges Stück Arbeit. Die letzten 48 Stunden bestanden vorwiegend daraus, alle Weichen zu stellen. Wir sind dankbar, dass wir dabei die Unterstützung der FIA und von Liberty Media hatten, und ich möchte auch den anderen Teams Dank aussprechen, die uns entgegengekommen sind, um diese neue Nennung so schnell umzusetzen.»
Es gab durchaus Widerstand: McLaren, Renault und Williams wollten zunächst nicht unterschreiben. Das hätte das Ende von Force India bedeutet. Claire Williams sagt nur: «Es stimmt, dass wir zunächst Bedenken hatten, aber wie Otmar gesagt hat, haben wir letztlich eingewilligt. Wieso wir unsere Meinung geändert haben, darüber äussern wir uns nicht.»
Szafnauer weiter: «Wir mussten unsere 59 bisher errungen WM-Punkte preisgeben, um die neue Nennung zu erhalten. Wir fangen bei null an. Was die Motoren und Getriebe angeht, so hat uns die FIA am Freitagmorgen bestätigt, dass wir so weitermachen, als hätte des den Gläubigerschutz und Besitzerwechsel nie gegeben. Charlie Whiting findet das die fairste Lösung, auch wegen unserer Gegner.»
«Die anderen neun Rennställe haben eingewilligt, dass wir die bisher als Sahara Force India errungenen Preisgelder behalten können. Weil wir jedoch diese 59 Zähler von 2018 verlieren, wird unser Anteil im nächsten Jahr geringer sein. Wir hoffen, dass wir hier viel Boden gutmachen in den ausstehenden WM-Läufen.»
Vor der Sommerpause stand Force India auf WM-Rang 6.
Viele Fans fragen sich: Wieso heisst das Team noch immer «Racing Point Force India»? Szafnauer lächelt: «Ist das nicht ironisch? Als wir den Namen wechseln wollten, durften wir es nicht. Und als wir es durften, taten wir es nicht. Nein, der Grund liegt darin, weil wir das Jahr mit Force India als Chassisbezeichnung begonnen haben. Die FIA mag es nicht, wenn die Chassisnamen geändert werden. Das verwirrt die Fans. Die Fans kennen uns als Force India, wir haben noch immer die gleichen Farben. Wir haben die gleichen Farben, die gleichen Angestellten. Wir haben „Racing Point“ vor Force India gestellt, um uns vom alten „Sahara Force India“ abzuheben. Racing Point heisst einfach die Firma, welche das komplette Material und das Werk übernommen hat.»
«Wir haben nun Zeit zu entscheiden, wie das alles 2019 heissen wird. Um den Namen erneut zu ändern, brauchen wir eine angemessene Bezeichnung, ein Name, der dauerhaft bleiben wird, und dazu ist die Zustimmung der Formel-1-Kommission vonnöten. Wir haben einige Monate Zeit für die Nennung 2019, da können wir uns das in Ruhe überlegen.»
Otmar Szafnauer ist vom Force-India-CEO zum neuen Teamchef ernannt worden. Stimmt es, dass er auch 25 Prozent Anteile am Rennstall erhalten hat? Der Amerikaner lacht: «Das wäre echt toll! Das ist zwar leider nicht so, aber ich werde Lawrence und seinen Geschäftskollegen sagen, dass dies wirklich eine gute Idee ist.»