Jörg Zander (Sauber): Bald Arbeit am 2018er Auto!
Anfang November durfte Sauber einen schönen Fang verkünden: Der Deutsche Jörg Zander übernimmt jene Rolle, die seit dem Weggang von Mark Smith vor dem Saisonbeginn 2016 frei geblieben war, jene des Technischen Direktors. Für den Ratinger (der am 15. Februar 53 Jahre alt wird) ist die neue Aufgabe beim Rennstall aus Hinwil (Zürcher Oberland) eine Rückkehr – bereits 2006 und 2007 war er dort tätig, als Chefdesigner.
Der gelernte Maschinenbauingenieur hatte seine Rennkarriere bei Toyota begonnen, 2003 zog es ihn von Köln nach Brackley – zu British American Racing. 2005 wechselte Zander zu Williams, wo er Chefdesigner Gavin Fisher ersetzte. Ein Jahr später wurde er von Sauber engagiert, 2007 kehrte er nach Brackley zurück, inzwischen war aus dem Team der offizielle Formel-1-Rennstall von Honda geworden. Er blieb auch im Team, als daraus BrawnGP wurde.
Noch im Laufe der Saison 2009 verliess Zander den Rennstall (2010 wurde daraus das Mercedes-Werksteam) und gründete eine eigene Firma, JZ Engineering. 2015 folgte er dem Ruf von Audi und wurde dort Technikchef der Sportabteilung. Mit dem Ausstieg von Audi aus dem Langstreckensport suchte er nach einer neuen Herausforderung.
Nun spricht Zander über die ersten Eindrücke in Hinwil und darüber, wie er sich die Zukunft beim vierältesten Formel-1-Rennstall (nach Ferrari, McLaren und Williams) vorstellt: «Zuerst einmal sind die Eindrücke durchwegs positiv! Ich bin hier sehr warmherzig empfangen worden und fühlte mich gleich vom ersten Tag an wieder wohl und vertraut im altbekannten Umfeld.»
«Ich bin begeistert von der Einstellung meines Teams. Nach den Frustrationen und Ängsten der zuletzt durchlebten Turbulenzen ist nun deutlich die Motivation bei jedem Einzelnen zu erkennen. Man hat natürlich Erwartungen, man möchte Veränderung, Stabilisierung und die Richtung spüren, in die es geht – und genau darum werden wir uns nun gemeinsam bemühen.»
«Die technischen Voraussetzungen sind optimal, wir sind hier entwicklungs- und produktionsseitig autark aufgestellt. Das ermöglicht kurze Entwicklungs-Zyklen und hohe Flexibilität. Der Sauber-Windkanal gehört zu den besten Aerodynamik-Entwicklungsstätten im professionellen Motorsport. Die Modell-Bauteile für die Windkanal-Tests werden in unserem eigenen Rapid-Prototyping mittels SLS- und SLA-Systemen schnell realisiert. Dies ermöglicht eine effiziente Aerodynamik-Entwicklung. Im Bereich Chassis können wir sämtliche Carbon-Composite-Strukturen selber herstellen. Hier ist in den letzten Jahren sehr viel passiert.»
Seine eigene Rolle umreisst Zander so: «Meine Aufgaben werden zu Beginn die Definition und Optimierung der Technik-Organisationsstruktur sein. Wir haben hier ganz hervorragende Ingenieure und Techniker. Nun müssen wir schauen, dass wir die Kompetenzen und Ressourcen gemäss den Anforderungen sinnvoll arrangieren. Wichtig ist dabei, dass wir unsere Kommunikations- und Entscheidungsprozesse optimieren, um noch effizienter arbeiten zu können.»
«Des Weiteren liegt mein Aufgabenschwerpunkt in der Technik, vornehmlich in der Führung und Richtungsvorgabe für die Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen. Das Konzept unseres Rennfahrzeugs wird im Wesentlichen durch die Elemente Fahrdynamik, Aerodynamik und Fahrzeug-Konstruktion definiert. Im Teamwork erarbeiten wir hier – auf Fakten basierend – die Richtung. Neben den empirischen Ermittlungen im Windkanal werden heutzutage die Fahrzeug- Funktionalitäten und -Fahrdynamik mithilfe von Simulationen analysiert und vorbestimmt. Ich möchte sicherstellen, dass wir diese Analyseprozesse zur Definition des Fahrzeug-Konzeptes miteinander vernetzen und somit auf effiziente Weise Ergebnisse produzieren, die die Grundlage des Fahrzeug-Konzeptentscheids sind. Darüber hinaus möchte ich dazu beitragen, dass unsere Mannschaft noch enger zusammenwächst und den Austausch und das Verständnis füreinander fördern. Formel 1 ist ein Teamsport!»
Eine Frage, die sich viele Fans stellen dürften: Was sind die technischen Unterschiede zwischen Langstrecken- und Formel-1-Autos? Jörg Zander: «Im professionellen Langstrecken-Motorsport werden verschiedene Sportwagen-Typen mit verschiedenen Antriebstechnologien eingesetzt. Diese reichen von offenen und geschlossenen Prototypen mit Hybridtechnologie bis hin zu strassenzugelassenen, ähnlichen GT Sportwagen – ein bunt gemischtes Feld.»
«In der WEC sind im Bereich der von den Fahrzeugherstellern betriebenen LMP1-H, auf Basis der Equivalence-of-Technology, EoT, unterschiedliche Antriebskonzepte möglich. Das bedeutet, dass verschiedene Verbrennungsmotor-Konzepte, Diesel oder Benziner, und Hybridsysteme mit Energie-Übertragungen von bis zu 8 Megajoule pro Runde in Le Mans zulässig sind. Das ist dann vergleichbar mit der Formel 1 auf einer durchschnittlichen GP-Strecke mit 4MJ. Der Hybrid-Energiegehalt ist in der Formel 1 somit in etwa vergleichbar mit den 4MJ zurückgewonnener Energie pro Runde. Die MGU-K ist bei einem LMP1-H Sportwagen an der Vorderachse installiert. Im Boost-Modus beschleunigen diese mit Allradantrieb, was bei einem Formel-1-Fahrzeug nicht der Fall ist.»
«In der Formel 1 wird die Leistung über die Maximierung des Kraftstoff-Volumenstroms limitiert. Die Autos LMP1-H sind ebenfalls leistungslimitiert, darüber hinaus aber etwa 100 kg schwerer und haben nur eine definierte maximale Menge an Energie oder Kraftstoff pro Runde zur Verfügung. Die WEC-Fahrzeuge sind in ihrer Entwicklung stark auf das Rennen in Le Mans fokussiert, deswegen werden die Fahrzeuge auch speziell für dieses Rennen aerodynamisch ausgelegt und erreichen damit höhere Effizienz-Werte, als ein Formel-1-Auto. Der Abtrieb der Formel-1-Fahrzeuge ist aber deutlich grösser.»
«Die Fahrzeuge unterscheiden sich in ihrer globalen Machart nur geringfügig, allesamt sind auf Leichtbau getrimmt. Es kommen in beiden Serien Kohlefaser-Chassis, Doppeldreieckslenker-Fahrwerkssysteme mit komplexen Feder-Dämpferelementen und Carbon-Hochleistungsbremsen zum Einsatz. Mit bis zu 1000 PS und Allradantrieb sind die WEC-Boliden trotz des höheren Gewichts auch richtig schnell, aber im direkten Vergleich zur Formel 1 auf den GP-Strecken um rund 10 Sekunden langsamer.»
Dass die Formel 1 mit seiner Rückkehr in eine neue Ära tritt, findet zander «prima. Die Fahrzeuge werden wieder breiter, von 180 auf 200 Zentimeter, es gibt um 25% breitere Reifen, die Front und Heckflügel werden ebenfalls breiter und dazu wird der Diffusor vergrössert. Insgesamt bedeutet das mehr Abtrieb, mehr Grip und damit schnellere Rundenzeiten. Die Kurvengeschwindigkeiten werden höher sein, aber auch der Luftwiderstand. Damit ergeben sich etwa für die Regelung der Energierückgewinnung andere Bedingungen.»
«Die Höchstgeschwindigkeit des Autos ist zwar geringer, das Auto kann aber aufgrund des höheren Abtriebs später bremsen. Daher verkürzt sich der Bremsweg und damit auch die Möglichkeit zur Energierückgewinnung. Man muss andere Fahrprofile und Strategien entwickeln, um die limitierte Energie von 2MJ mit der MGU-K aufzusammeln. Das Aero-Konzept wird für die Performance wieder entscheidend sein. Die Autos sehen mit den breiten Reifen und einer Gesamtbreite von zwei Metern wieder stark aus. So kann man die unvergleichliche, fahrdynamische Power allein beim Anblick spüren. Sicherlich spielt der Antrieb bzw. die Antriebsleistung eine grosse Rolle, aber zu Beginn der Saison werden sicher das Chassis und auch die Zuverlässigkeit erst einmal den Unterschied ausmachen.»
Wie sieht Zander die Saison 2017? «Ich möchte einen deutlichen Aufwärtstrend gegenüber dem letzten Jahr erkennen. Das möchten wir alle hier. Unsere Zielsetzung ist es, dass wir uns im Mittelfeld etablieren. Im Gegensatz zu 2016 werden wir unseren Entwicklungsplan über die gesamte Saison hinweg umsetzen. Doch wir müssen realistisch sein, denn unsere Referenz ist auf einem niedrigeren Niveau, als bei der Konkurrenz. Wir sind mit unserem C36-Auto im Plan und optimistisch, weil unsere Entwicklungsrichtung stimmt. Eine Einschätzung im Vergleich zur Konkurrenz ist allerdings aufgrund der neuen Regeln fast nicht zu machen. Gesamt betrachtet wird 2017 für uns auch ein wichtiges Jahr werden. Es müssen die Struktur- und Prozess-Optimierungen umgesetzt werden – und dann greifen. Das sind keine Vorgänge, die man nach Fachliteratur oder Anleitung umsetzt, das sind individuelle Anpassungen, wo der Mensch und die Kultur eine grosse Rolle spielen. Die Mannschaft muss diese Veränderungen annehmen und sich an neue Umstände gewöhnen, das benötigt Zeit.»
Jörg Zander denkt aber bereits weiter: «Ich werde mit meinem Technikteam bald das 2018er Konzept angehen. Jedoch nicht zu früh, denn wir wollen erst einmal eine fundierte Standortbestimmung und Analyse der anfänglichen Saison 2017 durchführen. Dazu möchte ich ein gut organisiertes Team mit zufriedenen, motivierten Mitarbeitern aufgestellt wissen, welches sich in der Formel-1-WM als Grösse etabliert. So, dass man uns immer auf der Rechnung haben muss, hin und wieder auch für eine grössere Überraschung gut zu sein. Im Sauber F1 Team möchte ich für Zuversicht und langfristige Stabilität sorgen. Nachdem, was ich bisher so wahrgenommen habe, bin ich sehr optimistisch, dass wir genau dies auch erreichen.»