Reifen-Komplott gegen Ferrari: Gewaltige Logiklöcher
Ferrari und Mercedes – das Königsduell 2018
Die Reifen bleiben das Leitthema der Formel 1. In Spanien staunten Fahrer und Ingenieure, als einige Autos auf weichen Reifen schneller fuhren als auf superweichen. Nach Berechnungen der Pirelli-Ingenieure dürfte das gar nicht möglich sein – theoretisch beträgt der Unterschied zwischen den verschiedenen Mischungen rund 0,4 Sekunden. Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf Erklärungssuche: «Wir haben hier in der Vergangenheit erlebt, dass sich ein härterer Reifen als der leistungsstärkere herausstellen kann, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Der weichere Reifen hat zum Teil überhitzt, der härtere war widerstandsfähiger. Heute haben wir erkannt, dass Vettel im dritten Pistensegment dominiert hat, während die Reifen an unserem Renner zum Überhitzen geneigt haben. Du musst immer abwägen: Der härtere Reifen ist zu Beginn der Runde vielleicht noch nicht ideal auf Temperatur, das fällt mit einer weicheren Mischung leichter. Dafür bietet er zum Schluss mehr.»
Mercedes-Gegner argumentierten, die jüngsten Änderungen an den Pirelli-Reifen hätten Mercedes geholfen. Die neuen Pirelli weisen eine um 0,4 Millimeter schmalere Lauffläche auf, diese Reifen werden auch in Frankreich und England zum Einsatz kommen. Wolff über die angebliche Hilfe von Pirelli: «Das ist doch barer Unsinn! Alle Rennställe hatten im Winter beim Wintertest schwere Blasenbildung – Ferrari, Red Bull, McLaren, wir. Die Reifen hätten im Mai nie gehalten. Dabei hatten wir arktische Verhältnisse! Also änderte Pirelli die Dicke der Lauffläche. Die Italiener haben das sehr gut getan, denn wir haben an keinem Wagen mehr Blasen auf den Reifen entdeckt. Ich weiss nicht, wer heute in die Welt setzt, wir würden Pirelli oder die FIA beeinflussen. So funktioniert das doch nicht in der Formel 1!»
Dann legt der Wiener noch einen drauf: «Die Formel 1 ist Paranoia schlechthin. Was wir alles für Helfer haben! Pirelli hat uns natürlich geholfen. Man hat auch die Strecke so asphaltiert, wie wir es wollten. Dann haben wir noch den ganz oben angerufen und gesagt, wir brauchen es bitteschön etwas kühler.»
Ferrari-Star Sebastian Vettel sagte in Barcelona über grosse Probleme mit den Vorderreifen: «Offenbar haben die Änderungen, die für dieses Wochenende vorgenommen wurden, uns mehr geschadet als unseren Gegnern. Zum Glück gibt es in Monaco wieder normale Reifen.»
Doch nach einem Testtag auf der katalanischen Rennstrecke differenziert der vierfache Weltmeister: «Wir wissen nun – hätten wir das Spanien-Wochenende mit den Reifen der alten Spezifikation gefahren, dann wäre alles noch schlimmer gewesen!» Vettel verglich die Reifen mit 0,4 Millimeter dünnerer Lauffläche mit jenen Pirelli, die schon im Winter zur Verfügung standen. Ergebnis: Schwerer Blasenwurf an den Walzen älterer Ausgabe.
Sebastian Vettel bilanziert daher: «Wenn wir nicht schnell genug waren, dann liegt das nicht an Pirelli, sondern daran, dass wir zu wenig aus den Reifen geholt haben. Es liegt an uns, solche Probleme zu lösen. Wir haben schon eine Ahnung, wie wir das auf den Strecken von Le Castellet und Silverstone anpacken wollen, wo diese Reifen erneut zum Einsatz kommen.»
Auch Ex-GP-Teambesitzter Giancarlo Minardi kann über ein Komplett gegen Ferrari nur lachen: «Ein Reifen-Komplott gegen Ferrari, das ist ein Ammenmärchen! Im März hat Pirelli die Teams darüber informiert, wie sie die Reifen ändern werden. Damals wusste noch kein Mensch, wie es vor dem fünften Rennen in Spanien in der WM aussehen würde.»
«Niemand sollte dramatisieren, was in Spanien passiert ist. Ja, Ferrari hatte in Barcelona Probleme. Aber das ändert doch nichts an einer feinen Saison. Mich ärgern nur die Punkte, die auf der Piste liegengeblieben sind. In einer so ausgeglichenen Saison kann das am Ende den Ausschlag geben.»
«Was Verschwörungstheoretiker vergessen: Mercedes war in Barcelona in den letzten Jahren immer besonders stark. Das muss nicht heissen, dass es auch so weitergeht.»
Um genau zu sein, kommt jetzt ein Angstrennen von Mercedes – Monaco. Toto Wolff: «In Spanien ist alles prima gelaufen, es sieht so aus, als hätten wir zu alter Stärke zurückgefunden. Aber Monaco ist eine ganz andere Hausnummer. Es gibt einfach Strecken, auf welchen wir nicht so gut sind: Monaco, Hungaroring, Singapur. Warum sind wir dort nicht so gut? Einen Teil der Antwort kennen wir, ein Teil bleibt im Dunkeln.»