Wieder Wirbel um Rich Energy: McLaren wehrt sich
Der merkwürdige Tweet von Rich Energy
Anfang September war die peinliche Posse endlich beendet: Das Formel-1-Team Haas bestätigte die Trennung von Titelsponsor Rich Energy: «Haas und Rich Energy haben sich freundschaftlich darauf geeinigt, ihre Partnerschaft in der Formel 1 mit sofortiger Wirkung zu beenden.»
In Singapur trat Haas weiterhin in Schwarz und Gold an, allerdings ohne die Schriftzüge von Rich Energy. Die erwiesen sich als schlechte Verlierer. In einem Tweet schrieb Rich Energy: «Wir wünschen dem HaasF1Team alles Gute bei den Verhandlungen, um das Team an saudische Investoren zu verkaufen. Ein exzellentes Team und eine fabelhafte Investition.»
Pardon? Haas wird verkauft? Was haben wir da verpasst? «Ich weiss wirklich nicht, was ich dazu sagen soll», meinte Haas-Teamchef Günther Steiner. «Ich wünsche den Investoren auch viel Glück, denn ich kenne sie nicht. Haas steht nicht zum Verkauf und basta. Das ist einer der üblichen Tweets von Rich Energy, wie wir sie kennen. Darauf will ich lieber nicht eingehen, das ist nicht unser Stil.»
Nun erzeugen Rich Energy und der mehrlichtige CEO William Storey erneut mit einem rätselhaften Tweet Aufregung. Es zeigt das mit Rich Energy beschriftete Motorhome von Haas, darüber steht «Erstklassige britische Leistung mit Rich Energy», ganz so als ob die Firma noch in der Formel 1 wäre. Danach folgen Hashtags wie NeuerVertrag, McLaren, RenaultF1.
Natürlich ist dies als Anspielung auf ein neues Abkommen zu verstehen. Blöd nur, dass McLaren-CEO Zak Brown davon nichts weiss. «Ich war baff, als ich das sah», sagt der Kalifornier in Austin. «Dieser Kerl zieht offenbar gerne Aufmerksamkeit auf sich. Ich habe nicht mit ihm geredet, und das werde ich auch nicht tun.»
Die peinliche Trennung
Begonnen hatte der Schlamassel zwischen Haas und Rich Energy mit einem überraschenden Tweet, wonach die Zusammenarbeit mit dem Haas-Rennstall beendet werde, «wegen mangelnder Leistungen». Dann eine Erklärung der Rich-Energy-Aktionäre: Die Nachricht der Trennung von Haas gehe zurück auf «das Vorpreschen eines Mitarbeiters», der als «rogue» bezeichnet wird, also als ein Schurke oder Schelm.
Der umstrittene Tweet hatte Sprengkraft: «Heute hat Rich Energy den Vertrag mit Haas beendet, wegen mangelnder Leistungen. Wir wollten Red Bull Racing schlagen; in Österreich noch hinter Williams zu liegen, das ist nicht akzeptabel. Die Politik und die Einstellung politischer Korrektheit der Formel 1 hemmt unser Geschäft. Wir wünschen dem Team alles Gute.»
Aber die Aktionäre teilten mit: «Wir glauben voll und ganz an das Haas-Team und an seine Leistungsfähigkeit. Wir haben uns diesem Engagement verschrieben und stehen dazu. Wir glauben auch an die Formel 1 als Plattform unserer Marke. Das schurkische Vorgehen ist sehr peinlich. Wir sind dabei, diese Person von allen Verantwortlichkeiten zu entbinden. Diese Person mag künftig für sich sprechen, aber sie repräsentiert nicht die Meinung der Firma. Wir bedauern den besagten Tweet, sie stammt aus einer nicht authorisierten Quelle. Wir bedanken uns für die Geduld von Haas, während wir uns intern um diese Angelegenheit kümmern.»
Jetzt ging es erst richtig los. Rich-Energy-CEO William twitterte: «Das ist eine aberwitzige Stellungnahme von Minderheits-Aktionären, die mit Red Bull und Whyte Bikes kuscheln, lächerlich. Ihr Versuch eines Umsturzes ist fehlgeschlagen. Ich kontrolliere das Vermögen von Rich Energy, und ich habe die Unterstützung aller wichtigen Aktionäre.»
Der Bezug auf Whyte Bikes geht zurück auf einen Rechtsstreit mit dem englischen Fahrradhersteller. Anfang 2019 hat das Formel-1-Team von Gene Haas das Design seines neuen Renners vorgestellt: Die US-Amerikaner treten im Schwarz und Gold von Energy-Drink-Hersteller Rich Energy an, die Lackierung erinnert stark an frühere GP-Boliden von Wolf oder Lotus. Die Fans haben grösstenteils positiv auf die neue Lackierung reagiert, die Begeisterung der Firma Whyte Bikes hielt sich in Grenzen – der britische Spezialfahrrad-Hersteller ist der Ansicht: Rich Energy habe das Firmenlogo mit dem Hirschgeweih schlicht geklaut.
Rich Energy zeigt deshalb einen Hirsch als Markenzeichen, weil CEO William Storey aus Richmond stammt, einem Stadtteil im Südwesten des Zentrums von London. Im Richmond Park, dem grössten königlichen Park des Grossraums London, sind oft Hirsche zu sehen.
Whyte Bikes ging vor Gericht und hat nun Recht erhalten: Richterin Melissa Clarke vom Obersten Gerichtshof in London kommt zum Urteil – Haas-Sponsor Rich Energy habe das Hirschgeweih-Logo geklaut.
Das Urteil bedeutete: Rich Energy darf das Geweih als Logo nicht weiterverwenden.
Richterin Clarke erklärte in der Urteilsbegründung, es handle sich um eine klare Copyright-Verletzung. Sie räumt Whyte Bikes das Recht ein, auf Schadenersatz zu klagen. Der Fahrradhersteller verwendet sein Logo seit 2008, Rich Energy seines seit 2015. Die Ähnlichkeit ist verblüffend.
Sean Kelly, der in Diensten der Firma Staxoweb Ltd. für Rich Energy das Logo entworfen hatte, stand im März vor Gericht. Er gab zu Protokoll, er habe ausführlich im Netz recherchiert, um Ähnlichkeiten mit anderen Geweih-Logos zu vermeiden. Kelly hat beteuert, Whyte Bikes sei nicht seine Inspiration gewesen.
Richterin Clarke kauft ihm das alles nicht ab. «Im besten Falle waren die Erklärungen des Angeklagten verwirrt und widersprüchlich. Ich halte weder Herrn Kelly noch Herrn William Story von der Firma Rich Energy für glaubwürdige Zeugen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass sie nicht die Wahrheit gesagt haben, wenn sie angeben, dass sie das Whyte-Logo nicht kannten. Ich halte es für sehr wahrscheinlicher, dass sie das Logo kopiert haben.»
Rich Energy hat derweil einen Brief von Haas-Anwalt Jeremy Courtenay-Stamp veröffentlicht. Das Schreiben ist an Neville Weston gerichtet, einen Minderheitsaktionär von Rich Energy. Courtenay-Stamp schreibt darin: «Haas wird sich erst dann mit einem neuen Management von Rich Energy auseinandersetzen, wenn es einen klaren Beweis dafür gibt, dass Herr Storey von seinen Aufgaben entbunden und ein neuer Geschäftsleiter eingesetzt ist. Wir sehen derzeit keinen Weg, wie Sie Herrn Storey die Kontrolle über die Firma entreissen können.»
Der bärtige William Storey hatte dazu genüsslich geschrieben: «Die Palastrevolution ist missglückt.»